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EU-Kommission will Lieferketten durch neues Kriseninstrument stabilisieren


Die EU-Kommission hat ein neues Notfallinstrument für den Binnenmarkt vorgeschlagen. Experten warnen vor Eingriffe in die unternehmerische Freiheit und zusätzlicher Bürokratie für Betriebe, die in Krisenzeiten ohnehin schon besonders gefordert sind.

Die EU-Kommission will die Versorgung der Mitgliedstaaten mit strategisch wichtigen Waren und Dienstleistungen in Krisenzeiten sichern und Lieferketten stabilisieren. Hierzu hat sie ein neues „Notfallinstrument für den Binnenmarkt“ vorgestellt.

Die Initiative ist eine Reaktion auf die Corona-Pandemie und den Ausbruch des Ukrainekriegs sowie deren Folgen: unterbrochenen Lieferketten und Produktionsstops. Das Notfallinstrument trägt den Namen „Single Market Emergency Instrument“, kurz „SMEI“. Mit ihm will die Kommission dafür sorgen, dass die Mitgliedstaaten während Krisen keine Barrieren innerhalb des Binnenmarktes errichten. Zugleich will sie gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten auch in Krisenzeiten zuverlässig mit kritischen Waren und Dienstleistungen versorgt werden können.

Die Kommission schlägt einen dreistufigen Plan vor: Die erste Stufe ist der „Eventualfallmodus“. Er beinhaltet Maßnahmen, die die Kommission und die Mitgliedstaaten in stabilen Zeiten ergreifen, um sich auf Krisen vorzubereiten und gegebenenfalls schnell reagieren zu können. In dieser Phase würden beispielsweise Frühwarnsystem und Krisenprotokolle eingerichtet. Auf der zweiten Stufe stehen im „Überwachungsmodus“ Maßnahmen zur Binnenmarktüberwachung, die in Zeiten ergriffen würden, in denen eine Gefährdung für den Binnenmarkt abzusehen, jedoch noch keine Notlage eingetreten ist. In dieser Phase sollen Lieferketten durch die Mitgliedstaaten überwacht, Informationen von Unternehmen abgefragt und strategische Reserven von krisenrelevanten Produkten durch die Mitgliedstaaten angelegt werden. Der Überwachungsmodus soll maximal sechs Monate lang andauern. Gerade was das Anlegen strategischer Reserven betrifft, bestehe jedoch das Risiko, den Markt künstlich aufzublähen und so letztlich für ein Überangebot zu sorgen, warnt Dr. Florian von Baum, Experte für Technologie, Wissenschaft und Industrie bei Pinsent Masons

Für akute Krisen soll es einen „Notfallmodus“ geben. Er würde der Kommission weitreichende Eingriffe in den Markt gestatten. Dies wäre Stufe drei des Systems. Jedoch müsste der Rat vorher der Aktivierung des Krisenmodus zustimmen. Geschieht dies, könnte die Kommission direkt in die Produktion von krisenrelevanten Waren und Vorprodukten eingreifen. So könnte sie Unternehmen sogar vorschreiben, welche Aufträge sie mit Vorrang zu bearbeiten haben. Demnach wäre es der EU-Kommission möglich, Hersteller bestimmter Güter dazu zu zwingen, Bestellungen für EU-Bürger gegenüber anderen Bestellungen zu bevorzugen. Die Unternehmen könnten diese Weisung nur ablehnen, wenn sie schwerwiegenden Gründe hierfür vortragen können. Unternehmen, die sich einfach über die Weisung hinwegsetzen, müssten mit Geldbußen rechnen.

„Der Vorschlag birgt die Gefahr, dass Unternehmen gerade in Krisensituationen, die ihre volle Aufmerksamkeit und Reaktionsfähigkeit erfordern, noch zusätzlich mit Verwaltungsaufwand überfrachtet und an ihre Grenzen getrieben werden“, so Dr. von Baum. Zwar geht der Kommissions-Vorschlag darauf ein, dass im Fall von kleinen und mittleren Unternehmen sämtliche Maßnahmen auf ihre Auswirkungen und ihre Verhältnismäßigkeit geprüft werden sollen, da sie zu einer Überlastung führen könnten. Auf etwaige Belastungen, die auch für große Unternehmen entstehen könnten, wird an dieser Stelle aber nicht verwiesen.

Im Notfallmodus wären zudem EU-interne Exportverbote für krisenrelevante Waren und Dienstleistungen verboten, ebenso wie Beschränkungen der Freizügigkeit von Arbeitnehmern, die krisenrelevante Waren und Dienstleistungen produzieren oder für ihre Lieferung verantwortlich sind.

Die vorgeschlagenen Maßnahmen können sich auf nahezu alle Arten von Waren und Dienstleistungen beziehen, sofern sie von „strategischer Wichtigkeit“ oder „für die Krise relevant“ sind. Von dem Vorschlag der Kommission ausgenommen sind lediglich Arzneimittel, Medizinprodukte, Halbleiter, Energieprodukte und Finanzdienstleistungen, da es hierzu separate EU-Gesetzgebungen gibt, beispielsweise den geplanten EU Chips Act oder die Verordnung zur verstärkten Rolle der Europäischen Arzneimittel-Agentur bei der Krisenvorsorge.

„Eine wesentliche Herausforderungen dürfte allein schon darin liegen, festzulegen, welche Waren, Dienstleistungen und Vorprodukte in der jeweiligen Notlage krisenrelevant sind und daher von den Maßnahmen der EU erfasst werden sollen“, so Dr. von Baum. „Das ist eine heikle Entscheidung, die noch für Diskussionsstoff sorgen dürfte, sollte das SMEI tatsächlich in seiner nun vorgeschlagenen Form verabschiedet werden.“

Die Vorschläge der Kommission werden als nächstes vom Europäischen Parlament und vom Rat der Europäischen Union erörtert.

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