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EU will mit ‚Chips Act‘ Halbleiter-Produktion in Europa ankurbeln


Die Europäische Kommission hat Maßnahmen festgelegt, um den aktuellen Mangel an Halbleitern zu beheben und die EU bis zum Ende des Jahrzehnts zu einem Zentrum der Halbleiterproduktion zu machen.

Halbleiter sind ein unverzichtbarer Bestandteil vieler elektronischer Geräte für Verbraucher und Unternehmen, die zunehmend von digitalen Technologien abhängig sind. Derzeit besteht jedoch ein weltweiter Mangel an diesen Bauteilen, der sich durch die Pandemie noch verschärft hat. Experten rechnen damit, dass die Knappheit voraussichtlich bis 2022 und möglicherweise darüber hinaus andauern wird.

Die Europäische Kommission hat erkannt, wie stark sich die Knappheit auf Sektoren wie die Automobilindustrie und das Gesundheitswesen auswirkt, und Maßnahmen vorgeschlagen, die ihrer Meinung nach sofort ergriffen werden können, um die derzeitigen Engpässe zu beseitigen. Gleichzeitig hat sie neue Rechtsvorschriften in Form eines Chip-Gesetzes (Chips Act) vorgeschlagen, die die Versorgung auch längerfristig sichern sollen.

Die Kommission erklärte, die unmittelbare Krisenreaktion solle von einer europäischen Halbleiter-Expertengruppe geleitet werden, die sich aus Vertretern der EU-Mitgliedstaaten zusammensetzt. Die Gruppe werde Informationen über den Stand der Versorgung von Handelsverbänden sowie einzelnen Unternehmen, die auf dem Halbleitermarkt tätig sind, einholen. Zugleich sollen die EU-Mitgliedstaaten die Hersteller auffordern können, die Produktion krisenrelevanter Produkte zu priorisieren, um sicherzustellen, dass kritische Sektoren weiterhin arbeiten können. Als weitere Sofort-Maßnahme skizziert die Kommission die Möglichkeit, ihr ein Mandat zu erteilen, das ihr gestattet, als zentrale Beschaffungsstelle für die öffentliche Beschaffung krisenrelevanter Produkte für bestimmte kritische Sektoren zu fungieren, während auch Bedingungen für die Ausfuhr solcher Produkte auferlegt werden könnten.

Der Entwurf des Chips Act zielt darauf ab, die EU-Kapazitäten zur Herstellung von Halbleitern in den kommenden Jahren zu stärken. Die Kommission strebt an, dass bis 2030 mindestens 20 Prozent der weltweit hergestellten Halbleiter in der EU produziert werden. „Das neue Gesetz muss im Kontext des jüngst in den USA auf den Weg gebrachten ‚Chips for America Act‘ und den Plänen der chinesischen Regierung zur massiven Unterstützung der chinesischen Halbleiterindustrie gesehen werden“, so Dr. Florian von Baum, Experte für Technologie, Wissenschaft und Industrie bei Pinsent Masons, der sich auf Fragen der Halbleiterindustrie spezialisiert hat.

Der Chips-Act soll einen Rechtsrahmen schaffen, der es ermöglicht, dass öffentliche Mittel im Einklang mit den EU-Beihilfevorschriften in innovative neue Halbleiterfertigungsanlagen fließen. Darüber hinaus ist vorgesehen, dass die neuen Anlagen von beschleunigten Verfahren profitieren, damit sie administrative Hürden, beispielsweise in Bezug auf Planung und Bau, so schnell wie gesetzlich möglich überwinden können. Zudem sieht der Entwurf des Chips Act eine breit angelegte Initiative vor, die darauf abzielt, den Aufbau von technologischen Kapazitäten und Innovationen im Bereich der Halbleiter zu unterstützen.

Die Europäische Kommission plant, 3,3 Milliarden Euro an EU-Mitteln für die Initiative „Chips für Europa“ bereitzustellen, ein größeres Budget von 43 Milliarden Euro in Form von öffentlichen und privaten Investitionen ist im Zuge der Umsetzung des Chips Act veranschlagt: Neue Halbleiterzentren sollen in der gesamten EU entstehen, neue Halbleitertechnologien erprobt, Design- und Ingenieurskapazitäten verbessert und die Unternehmen in der Halbleiter-Wertschöpfungskette beim Zugang zu Fremd- und Eigenkapital unterstützt werden. Ein noch zu gründendes europäisches Chip-Infrastruktur-Konsortium soll die Aktivitäten im Rahmen der Initiative leiten.

„Der Bau einer einzigen Chipfabrik kann eine Investition von etwa 20 Milliarden Euro erfordern, das stellt einen hohen Kapitalaufwand dar“, erläutert Dr. von Baum. „Es bleibt daher abzuwarten, wie groß der Erfolg der EU-Initiative mit dem vorgesehenen Budget tatsächlich sein wird.“

Der Chips-Act sieht auch vor, dass viele der Marktüberwachungs- und Krisenreaktionspläne, die Bestandteil der vorgeschlagenen Sofortmaßnahmen sind, verbessert und auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden. Darüber hinaus sollen die Unternehmen der Halbleiter-Wertschöpfungskette die nationalen Behörden informieren, wenn „erhebliche Nachfrageschwankungen“ auftreten oder ihre Lieferketten unterbrochen werden. Die Behörden sollen dann die Kommission über ein neues Frühwarnsystem über eine potenziell entstehende Krise unterrichten. Eine Krisensituation läge vor, „wenn es zu schwerwiegenden Unterbrechungen bei der Versorgung mit Halbleitern kommt, die zu erheblichen Engpässen führen“. In diesem Fall wäre die Kommission befugt, die benannten Produktionsstätten, die öffentliche Fördergelder erhalten haben, anzuweisen, „eine Bestellung krisenrelevanter Produkte anzunehmen und zu priorisieren“.

Dr. von Baum merkt an: „Ein besser abgestimmter Ansatz könnte hilfreich sein. Der koordinierte Beschaffungsprozess der EU für die Lieferung von Covid-19-Impfstoffen – der als Blaupause für diesen Ansatz dient – war jedoch nicht ohne Herausforderungen. Die Versorgung mit Chips ist sehr komplex, mit einer hohen Arbeitsteilung und einer international fragmentierten Wertschöpfungskette. Die Frage, inwieweit Regierungen und Regulierungsbehörden die Befugnis haben sollten, in dieses komplexe System einzugreifen, wird Gegenstand erheblicher Diskussionen sein.“

Kommission-Präsidentin Ursula von der Leyen sagte, das geplante Gesetz werde die Spielregeln für die globale Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Binnenmarkts verändern. „Kurzfristig wird es unsere Widerstandsfähigkeit gegenüber künftigen Krisen erhöhen, indem wir Störungen der Lieferkette antizipieren und vermeiden können. Mittelfristig wird es Europa zu einer führenden Position in dieser strategisch wichtigen Branche verhelfen. Mit dem Europäischen Chip-Gesetz bringen wir die Investitionen und die Strategie auf den Weg. Der Schlüssel zu unserem Erfolg liegt jedoch in den Innovatoren Europas, unseren Forschern von Weltrang und in den Menschen, die unseren Kontinent durch die Jahrzehnte haben gedeihen lassen.“

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