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Arbeitsschutz während der Pandemie: Was Arbeitgeber beachten sollten


Arbeitgeber sind gesetzlich dazu verpflichtet, ihre Beschäftigten vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus bestmöglich zu schützen. Entsprechende Maßnahmen gibt der kürzlich veröffentliche Arbeitsschutzstandard des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vor.

Angesichts der Corona-Pandemie mussten sich viele Unternehmen innerhalb kürzester Zeit der Herausforderung stellen, ihren Beschäftigten die Tätigkeit von zu Hause aus zu ermöglichen. Nun gilt es auch bei der Rückkehr der Beschäftigten an ihre Arbeitsplätze, der Corona-Pandemie geschuldete Regelungen zu beachten.

Arbeitgeber sollten Arbeitsschutzstandards innerhalb des Unternehmens etablieren, die das Risiko einer Verbreitung des Coronavirus (SARS-CoV-2) in den Büroräumen auf ein Minimum reduzieren. Werden keine derartigen Vorkehrungen getroffen, drohen sowohl Schadensersatzansprüche erkrankter Arbeitnehmer als auch straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionen.

Welche Pflichten hat der Arbeitgeber beim Infektionsschutz?

Das Arbeitsschutzgesetz verpflichtet Arbeitgeber dazu, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten zu treffen.

Neben den arbeitsschutzrechtlichen Hygiene- und Schutzpflichten sind Unternehmen in den einzelnen Bundesländern, beispielsweise in Nordrhein-Westfalen, laut Coronaschutzverordnung auch dafür verantwortlich, Infektionsrisiken zu reduzieren.

Dabei müssen sie die erforderlichen Maßnahmen treffen, um Kontakte innerhalb der Belegschaft und zu Kunden so weit wie möglich zu vermeiden, Hygienemaßnahmen und Reinigungsintervalle zu verstärken und Heimarbeit zu ermöglichen, soweit dies unter Berücksichtigung dienstlicher Interessen sinnvoll umsetzbar und zu einer Verbesserung des Infektionsschutzes geeignet und verhältnismäßig ist.

Darüber hinaus hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) am 16. April den sogenannten SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard veröffentlicht. Die darin beschriebenen besonderen Maßnahmen sollen helfen, Infektionsketten zu unterbrechen und so die Bevölkerung zu schützen, die Gesundheit von Beschäftigten zu sichern, die wirtschaftliche Aktivität wiederherzustellen und zugleich den mittelfristig andauernden Zustand einer flachen Infektionskurve herzustellen.

Insbesondere sollen Desinfektionsmittel und Mund-Nasen-Bedeckungen zur Verfügung gestellt und getragen werden, wenn der Mindestabstand nicht sicher eingehalten werden kann. Zudem sollen  Personen mit entsprechenden Krankheitssymptomen sich grundsätzlich nicht auf dem Betriebsgelände aufhalten.

Ist der Arbeitsschutzstandard zwingend anwendbar?

Der Arbeitsschutzstandard ist keine unmittelbar verbindliche Regelung, da es sich weder um ein Gesetz noch um eine Rechtsverordnung handelt. Das BMAS weist deshalb darauf hin, dass der Arbeitgeber für die Umsetzung von Infektionsschutzmaßnahmen nach dem Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung verantwortlich ist.

Bei der Gefährdungsbeurteilung werden alle relevanten Gefährdungen für die Beschäftigten am Arbeitsplatz systematisch ermittelt und bewertet, um anschließend Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer ergreifen zu können.

Da der Arbeitsschutzstandard im Wesentlichen auf bekannten Expertenempfehlungen beruht, werden Behörden und Gerichte die Auffassung vertreten, dass es sich um „sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse handelt“, die bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes berücksichtigt werden müssen. Kann der Gesundheitsschutz durch andere, gleichermaßen geeignete Maßnahmen gewährleistet werden, kann vom Arbeitsschutzstandard abgewichen werden. Die Entscheidung für eine andere Maßnahme sollte jedoch mit Begründung dokumentiert werden.

Wie kann der Arbeitsschutzstandard eingehalten werden?

Um den besonderen Haftungsrisiken angesichts möglicher Coronavirus-Infektionen am Arbeitsplatz effektiv entgegenzutreten, sollten die bestehenden Arbeitsschutzmaßnahmen den jeweils aktuellen Umständen angepasst werden. Dazu bietet es sich an, einen Verantwortlichen zu bestimmen, der die verbindlichen Vorgaben der Politik verfolgt, sie im Unternehmen umzusetzen hilft und überwacht, ob sie eingehalten werden und wie effektiv sie sind.

In Betrieben, in denen ein Betriebsrat besteht, müssen bei der Umsetzung der Maßnahmen dessen Mitbestimmungsrechte beachtet werden. In der Regel ist es sinnvoll, Maßnahmenkonzepte von vornherein gemeinsam mit dem Betriebsrat zu erarbeiten und in einer Betriebsvereinbarung festzuhalten. In dieser können neben den unmittelbaren Arbeitsschutzmaßnahmen auch Regelungen zur Nutzung der Corona-Warn-App, zum Homeoffice beziehungsweise mobilem Arbeiten sowie vorsorgliche Regelungen für den Fall einer zweiten Welle oder einer späteren neuen Pandemie getroffen werden.

Die getroffenen Arbeitsschutzmaßnahmen sollten im Unternehmen umfassend kommuniziert werden, um einen Konsens unter den Beschäftigten und somit eine möglichst hohe Effektivität der Maßnahmen zu gewährleisten. Bei der Entscheidung für einzelne Maßnahmen ist insbesondere festzustellen, bei welchen Aktivitäten der Schutzabstand von derzeit 1,5 Metern nicht eingehalten werden kann, ob Arbeitsplätze geteilt werden und inwiefern Interaktionen zwischen verschiedenen Abteilungen stattfinden.

Auch wenn Abweichungen vom Arbeitsschutzstandard grundsätzlich möglich sind, sollten sich Arbeitgeber bei der Entscheidung für Schutzvorkehrungen im Unternehmen jedenfalls am Standard orientieren.

Welche Folgen haben Verstöße gegen den Arbeitsschutzstandard?

Arbeitgeber haben eine Fürsorgepflicht gegenüber ihren Beschäftigten, sie sind daher zu Schutzmaßnahmen verpflichtet – insbesondere bezüglich des Gesundheitsschutzes. Schutzmaßnahmen zur Minimierung der Ansteckungsgefahr sind auch im Hinblick auf die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme geboten.

Trifft der Arbeitgeber keine Schutzmaßnahmen, um das Risiko einer Infektion mit Covid-19 zu reduzieren, verletzt er unter Umständen seine Fürsorgepflicht und macht sich gegenüber Arbeitnehmern, die im Betrieb an COVID-19 erkranken, schadensersatzpflichtig.

Ersatzfähige Schäden können beispielsweise Behandlungskosten, Erwerbsausfall oder Beerdigungskosten sein. Zu beachten ist dabei, dass die Schadensersatzansprüche bereits geltend gemacht werden können, wenn der Angestellte seine Ansteckung mit dem Virus und einen mangelhaften Schutzstandard am Arbeitsplatz nachweisen kann – es sei denn, der Arbeitgeber kann nachweisen, dass der Angestellte sich nicht am Arbeitsplatz angesteckt hat. Das zu beweisen, dürfte in aller Regel nur schwer möglich sein. Erst recht, wenn zeitgleich mehrere Arbeitnehmer im Betrieb an Covid-19 erkranken.

Neben diesen arbeits- und zivilrechtlichen Haftungsrisiken gibt es auch eine strafrechtliche Komponente: Treffen Führungskräfte keine angemessenen Schutzmaßnahmen, können sie sich wegen fahrlässiger Körperverletzung oder fahrlässiger Tötung strafbar machen. Der Arbeitsschutzstandard kann dabei zur Beurteilung der Sorgfaltspflichten herangezogen werden. Verstöße dürften zumindest auf eine Sorgfaltspflichtverletzung hinweisen. Daneben besteht das Risiko von Geldbußen wegen Aufsichtspflichtverletzungen gegen Führungskräfte und das Unternehmen selbst.

Checkliste zum SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard

 Schutzabstände sicherstellen

  • Ist der Schutzabstand überall im Bürogebäude, einschließlich Kantinen und Küchen oder Aufenthaltsräumen, gewährleistet?
  • Sind Stehflächen an Sammelorten markiert?
  • Stehen Mund-Nase-Bedeckungen zur Verfügung?
  • Ist der Mindestabstand von 1,5 Metern zwischen den Arbeitsplätzen gewährleistet?

Arbeitsplätze umgestalten

  • Gibt es transparente Abtrennungen für Publikumsverkehr und an Arbeitsplätzen, falls der Mindestabstand nicht gewährleistet werden kann?
  • Werden Mehrfachbelegungen von Arbeitsplätzen vermieden?

Reinigung und Hygiene

  • Stehen Flüssigseife und Handtuchspender zur Handreinigung bereit?
  • Werden Türklinken und Handläufe regelmäßig gereinigt?
  • Werden die Büroräume regelmäßig gelüftet?
  • Werden Arbeitsmittel personenbezogen verwendet oder regelmäßig gereinigt?

Zutritt betriebsfremder Personen zu Büroräumen

  • Wird der Zutritt betriebsfremder Personen zu Büroräumen auf ein Minimum beschränkt?
  • Werden Kontaktdaten der Besucher und Zeitpunkt des Betretens und Verlassens der Büroräume dokumentiert?
  • Werden betriebsfremde Personen über die Schutzmaßnahmen in den Büroräumen informiert?

Dienstreisen und Meetings

  • Werden Dienstreisen und Präsensveranstaltungen auf das absolute Minimum reduziert?
  • Wird ein ausreichender Abstand zwischen den Teilnehmern von Präsenzveranstaltungen gewährleistet?
  • Werden bevorzugt Telefon- und Videokonferenzen anstelle von Präsenzveranstaltungen durchgeführt?

Unterweisung und Kommunikation

  • Werden Arbeitsschutzmaßnahmen im Betrieb kommuniziert?
  • Werden die Arbeitsschutzmaßnahmen erläutert und sind Hinweise verständlich – auch durch Hinweisschilder, Aushänge, Bodenmarkierungen?
  • Wird auf die Einhaltung der persönlichen und organisatorischen Hygieneregeln wie Abstandsgebot, Hust- und Niesetikette sowie Handhygiene hingewiesen?

Arbeitsmedizinische Vorsorge

  • Wird den Beschäftigten arbeitsmedizinische Vorsorge ermöglicht oder angeboten?
  • Können sich Beschäftigte individuell vom Betriebsarzt beraten lassen?

Bei Verdachtsfällen

  • Wurden Regelungen zur raschen Aufklärung von Verdachtsfällen auf eine Covid-19-Erkrankung getroffen?
  • Werden Beschäftigte mit unabgeklärten Atemwegssymptomen oder Fieber aufgefordert, das Bürogebäude umgehend zu verlassen beziehungsweise zuhause zu bleiben?
  • Wird bis zur ärztlichen Klärung des Verdachts von einer Arbeitsunfähigkeit des Beschäftigten ausgegangen?
  • Werden bei bestätigten Infektionen Personen, die Kontakt mit der infizierten Person hatten, ermittelt und informiert?
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