Eine Änderung der Arbeitsschutzverordnung verpflichtet Unternehmen nun, ihren Präsenz-Beschäftigten mindestens zwei Corona-Tests pro Woche anzubieten.

Trotz Widerstand aus der Wirtschaft hat das Bundeskabinett die sogenannte „Testpflicht“ für Unternehmen am 13. April dieses Jahres gebilligt: Arbeitgeber müssen seit 20. April ihren Mitarbeitern, die nicht ausschließlich im Homeoffice arbeiten, regelmäßig Corona-Test anbieten. Zudem wurde kurz darauf die Mindestanzahl der Tests erhöht: Alle Arbeitgeber müssen ihren Beschäftigten ab sofort mindestens zwei Testangebote pro Woche machen.

„Die Regelung zur sogenannten ‚Testpflicht‘ bleibt hinter dem zurück, was von wissenschaftlicher Seite im Vorfeld gefordert wurde“, gibt Manfred Schmid, Experte für Arbeitsrecht bei Pinsent Masons, der Kanzlei hinter Out-Law, zu bedenken. „Eine bindende Verpflichtung, Testungen während der Arbeitszeit tatsächlich durchzuführen, besteht nicht. Vielmehr müssen nur die Testkits zur Verfügung gestellt werden. Die enormen Kosten, die durch die Testungen entstehen, stellen gleichwohl eine erhebliche Belastung vieler Unternehmen dar.“ Schmid weiter: „Die Neuregelung macht die Situation nicht wirklich besser. Dass weiterhin keine echte Testpflicht besteht, wird einerseits die Bedenken der Wissenschaft nicht zerstreuen. Die schon erheblichen Belastungen der Wirtschaft werden andererseits durch die Erhöhung der anzubietenden Tests weiter gesteigert.“

Zudem wurden die bestehenden Regeln der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung zum betrieblichen Infektionsschutz bis zum 30. Juni verlängert. Regeln zum Homeoffice wurden in das Infektionsschutzgesetz überführt und erweitert.

Die Kosten für die Tests müssen Betriebe selbst tragen, teilte das Bundesarbeitsministerium mit. Um nachzuweisen, dass sie den Vorgaben zum Testangebot nachgekommen sind, werden Unternehmen zudem verpflichtet, die Bestellung der Tests zu dokumentieren. Arbeitgeber müssen den Mitarbeitern die Test allerdings nur zur Verfügung stellen; sie sind weder verpflichtet, die Testungen im Betrieb durchzuführen, noch, die Testergebnisse zu dokumentieren. Auch den Arbeitnehmern steht es frei, ob sie das Testangebot durch den Arbeitgeber annehmen.

Einer im Auftrag der Bundesregierung durchgeführten Umfrage zufolge erhielten vor Einführung der neuen Pflicht 61 Prozent der Beschäftigten Testangebote durch ihre Arbeitgeber. Die Zielmarke der Bundesregierung liegt jedoch bei 90 Prozent, die nun durch die Vorgabe zur Bereitstellung der Tests erreicht werden soll. Durch die Schnell- oder Selbsttests sollen Corona-Infizierte entdeckt werden, die noch keine deutlichen Krankheitssymptome zeigen. So sollen Arbeitnehmer im Betrieb geschützt und Ansteckungen vermieden werden.

Wissenschaftlern zufolge können die Schnell- und Selbsttests eine Infektion mit dem Coronavirus jedoch nicht zuverlässig ausschließen. Auch bei einem negativen Testergebnis ist es laut Robert Koch-Institut „lediglich weniger wahrscheinlich“, für Andere ansteckend zu sein. Zudem seien die Testergebnisse nur für rund einen Tag aussagekräftig. Auch seien gerade bei Selbsttests Anwendungsfehler möglich, die das Testergebnis zusätzlich verzerren können. Experten kritisieren daher, dass die neuen Vorgaben der Regierung hohe Kosten erzeugen, jedoch nur einen geringen Nutzen haben und schlimmstenfalls zu einer Art „Scheinsicherheit“ bei den negativ Getesteten führen könnten.

„Vor diesem Hintergrund dürfte – unter Berücksichtigung der vielen anderen Maßnahmen, die Arbeitgeber zum Infektionsschutz bereits umgesetzt haben, der anfallenden Kosten und des organisatorischen Aufwands zur Beschaffung der Test – abzuwarten sein, ob die neuen Vorgaben des Gesetzgebers nun im Besonderen zum Infektionsschutz beitragen und als verhältnismäßig bewertet werden können oder nicht“, so Sarah Kappe, Expertin für Arbeitsrecht bei Pinsent Masons.

Das Land Nordrhein-Westfalen hatte Arbeitgeber durch eine Änderung der Quarantäneverordnung zuletzt ausdrücklich berechtigt, offizielle Corona-Testnachweise auszustellen, sofern die Schnelltests durch fachkundiges oder geschultes Personal durchgeführt oder begleitet wurden. Solche Bescheinigungen können Arbeitnehmern – je nach aktuell geltender Regelung – bereits jetzt und gegebenenfalls auch künftig vermehrt die Nutzung von Angeboten erlauben, bei denen der Zutritt an einen Negativtest geknüpft ist.  „Sie könnten, je nach weiterer Entwicklung der Pandemie, daher häufiger nachgefragt werden“, so Kappe.

 

AKTUALISIERUNG: Dieser Artikel wurde am 23.4.2021 aktualisiert, um Informationen zur Erhöhung der Anzahl der Testangebote aufzunehmen.

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