Viele Unternehmen planen derzeit die Rückkehr ihrer Mitarbeiter ins Büro. Laut Experten sollte dabei ein gut durchdachtes Konzept vorliegen.
Bund und Länder lockern die Maßnahmen, die das öffentliche Leben wegen Covid-19 über Wochen hinweg eingeschränkt haben. Auch die Wirtschaft läuft wieder an: Große Teile des Einzelhandels haben wieder geöffnet, in einigen Bundesländern konnten Gaststätten den Betrieb ebenfalls wieder aufnehmen, wenn auch nur unter Auflagen. Auch Büros sollen nun wieder genutzt und Mitarbeiter aus dem Homeoffice zurückgeholt werden. Sueddeutsche.de berichtet, dass Firmen wie BMW oder Osram ihre Büro-Mitarbeiter sukzessive wieder zurückholen wollen.
„Wichtig ist, dass Arbeitgeber nun einen geeigneten Weg finden, die Mitarbeiter Schritt für Schritt zurückzuholen und gleichzeitig den Gesundheitsschutz zu wahren“, so Lara-Christina Willems, Expertin für Arbeitsrecht bei Pinsent Masons, der Kanzlei hinter Out-Law. „Hier gilt es, Lösungen zu finden, die sich in der Praxis gut umsetzen lassen, beispielsweise die abwechselnde Nutzung von Büros. Zu lange warten sollte man mit der Erarbeitung eines Rückkehrkonzeptes aus unserer Sicht nicht; wichtig sind wieder etwas Normalität und Alltag – solange dies unter Berücksichtigung der Gesundheitsstandards möglich ist.“
Laut Medienberichten versuchen einige Firmen bereits, durch Maßnahmen wie Wechselschichten dafür zu sorgen, dass sich nicht zu viele Mitarbeiter auf einmal im Büro aufhalten und Abstandsregeln auch auf den Fluren oder in den Aufzügen eingehalten werden können.
Um zu verhindern, dass es beim Wiederanlaufen der Wirtschaft zu einem exponentiellen Anstieg der Covid-19-Infektionen kommt, hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) den SARS-CoV-2-Arbeitsschutzstandard veröffentlicht. Er soll als Auslegungshilfe für Arbeitgeber bei der Umsetzung des Arbeitsschutzes dienen, ist also weder ein Gesetz noch eine Verordnung.
„Grundsätzlich ist der Arbeitgeber für den Schutz der Mitarbeiter zuständig und muss regelmäßig eine Gefährdungsbeurteilung durchführen. Anlässlich der Covid-19-Situation stellen sich in diesem Zusammenhang einige besondere Fragen“, so Willems. Arbeitgeber sollten handeln und die passenden Rahmenbedingungen schaffen.
Mögliche Maßnahmen wären etwa, die Arbeitsplätze umzugestalten, damit der Mindestabstand von 1,5 Metern eingehalten werden kann, gegebenenfalls Trennwände aufzustellen – vor allem bei Publikumsverkehr –, Desinfektionsmittel, Handseifen und Handtuchspender bereitzustellen, gemeinsam genutzte Gegenstände regelmäßig reinigen zu lassen und in Bereichen, in denen sich üblicherweise mehrere Mitarbeiter gleichzeitig aufhalten, Schutzabstände zu markieren.
„Für Arbeitgeber geht es jetzt darum, die Gesundheit der Mitarbeiter zu schützen und gleichzeitig ein wirtschaftlich sinnvolles Konzept zu finden, damit der Betrieb wieder so normal wie möglich aufgenommen werden kann", so Kathrin Brügger, Expertin für Arbeitsrecht bei Pinsent Masons. „Gerade in Branchen, die bereits unter den wirtschaftlichen Auswirkungen von COVID-19 leiden, weil sie beispielsweise in den letzten Wochen Kurzarbeit anmelden mussten, ist es jetzt wichtig, dass die Produktivität schnell wieder steigt, damit weitere arbeitsrechtliche Maßnahmen vermieden werden können. “
Wichtig sei dabei auch, die Rechte des Betriebsrats zu beachten und gegebenenfalls mit ihm zusammen Konzepte zu erarbeiten. „Es kann auch Sinn machen, Betriebsvereinbarungen für die Zukunft zu treffen, etwa für den Fall einer neuen Pandemie oder für eine mögliche zweite Welle dieser Pandemie“, so Brügger. Sie rechnet auch damit, dass manche Arbeitgeber derzeitig genau nachdenken und prüfen, ob ausreichend Arbeit für alle Mitarbeiter vorhanden ist. Falls nicht, könnten arbeitsrechtliche Maßnahmen wie Kurzarbeit oder Änderungsvereinbarungen mit Mitarbeitern über eine einvernehmliche Arbeitszeitreduzierung eine Alternative darstellen. Auch ein Urlaubsabbau oder die Umwandlung von Prämien in Freizeit könnten eine Lösung sein.
„Falls dies alles aber nicht ausreicht, könnten betriebsbedingte Kündigungen nötig werden, um Unternehmen vor Insolvenz zu schützen und die Mehrheit der Arbeitsplätze zu erhalten. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass betriebsbedingte Kündigungen nicht wegen Covid-19 erfolgen, sondern hier 'die normalen Kündigungsgrundsätze' gelten; in Unternehmen, für die Kündigungsschutz gilt, muss daher für eine betriebsbedingte Kündigung ein dauerhafter Wegfall des Arbeitsplatzes nachgewiesen werden. Dies wird jedoch voraussichtlich aufgrund der erheblichen Auswirkungen der Corona-Krise bei vielen Unternehmen möglich sein.“