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06 Sep 2022, 2:08 pm
Energieunternehmen, die aufgrund der Gaskrise mehr Geld mit der Produktion von Strom verdienen, obwohl ihre Produktionskosten nicht gestiegen sind, sollen bald einen Teil dieser „Zufallsgewinne“ abführen.
Die Ampel-Koalition hat das sogenannte „dritte Entlastungspaket“ beschlossen, das Bürgern und Unternehmen durch die Energiekrise helfen soll. Das Maßnahmenpaket sieht auch Eingriffe in den Energiemarkt vor, darunter Pläne zur Abschöpfung sogenannter „Zufallsgewinne“ von Energieunternehmen.
Die Hintergründe für die Eingriffe in den Energiemarkt sind im Ergebnispapier des Koalitionsausschusses, dass die Frankfurter Allgemeine Zeitung veröffentlicht hat, näher dargestellt. Die Ampel-Koalition will hier der Entkopplung des gegenwärtig sehr hohen Marktpreises für Strom von den Grenzkosten für die Produktion des Stroms entgegenwirken. Das Problem liegt dabei im bestehenden Strommarktdesign, also dem Preisbildungsmechanismus nach dem Merit-Order-Prinzip: Nach diesem Prinzip bildet sich der Preis für Strom in einer beliebigen Viertelstunde immer nach den Grenzkosten des teuersten Kraftwerks, das noch „im Geld ist“, also für seine Strommengen noch Abnehmer hat. Diese Grenzkosten bilden dann den Preis für alle Kraftwerke, die in der betreffenden Zeiteinheit im Einsatz sind.
Die teuersten Kraftwerke sind derzeit Gaskraftwerke, denn die Grenzkosten für die Erzeugung von Strom in Gaskraftwerken sind aufgrund des bestehenden Preisniveaus bei Erdgas sehr gestiegen. Infolgedessen bilden Gaskraftwerke, die ihre Stromproduktion (noch) am Markt platzieren können, den Marktpreis für den gesamten Kraftwerkspark, der in einer betreffenden Zeiteinheit zum Einsatz kommt. Energieunternehmen, die Strom beispielsweise mit Atom- oder Wind- und Solaranlagen herstellen, erhalten so deutlich höhere Preise und damit eine signifikant höhere Marge pro Kilowattstunde als sie unter „normalen“ Marktbedingungen erhalten würden. Diese Mehreinnahmen bezeichnet das Papier als „Zufallsgewinne“.
Die Zufallsgewinne sollen laut Papier teilweise abgeschöpft werden. Die hierdurch generierten Einnahmen sollen nach den Plänen der Ampel aufgewendet werden, um Verbraucher zu entlasten. Als Vorlage für das System dienen sollen die Regelungen zum Besonderen Belastungsausgleich im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Über diesen Mechanismus wurde bisher die Erhebung der EEG-Umlage abgewickelt. Nachdem die EEG-Umlage seit dem 1. Juli 2022 nicht mehr erhoben wird und ab 1. Januar 2023 vollständig abgeschafft werden soll, hat es sich aus Sicht der Ampel-Koalition offenbar angeboten, zumindest den etablierten Mechanismus zwecks Abwicklung der Zahlungsströme heranzuziehen.
Sobald die konkreten Regelungen bekannt sind, sollte insbesondere die energieintensive Industrie kritisch prüfen, ob diese mit EU-Beihilfen- und Verfassungsrecht vereinbar sind.
Die Einzelheiten zur Ausgestaltung der Gewinnabschöpfung sind allerdings noch unklar. Aus dem Ergebnispapier ergeben sich nur Grundzüge und Überlegungen zu den geplanten Regelungen, die zudem auch noch auf europäischer Ebene in der Diskussion sind. Im Prinzip sollen Zufallsgewinne wohl anhand eines Vergleichs zwischen einer Preis- oder Erlösobergrenze und dem Großhandelspreis am Spotmarkt bestimmt werden. Abgeschöpfte „Zufallsgewinne“ sollen dann den Verbrauchern zugutekommen, indem eine „Strompreisbremse für den Basisverbrauch“ durch sie finanziert wird. Außerdem sollen die Einnahmen aus den abgeschöpften Zufallsgewinnen dafür verwendet werden, den Anstieg der Stromnetzentgelte abzufedern.
„Diese Überlegungen werfen zahlreiche Fragen auf, auch im Hinblick auf die Vereinbarkeit mit dem EU-Beihilfenrecht,“ so Dr. Valerian von Richthofen, Experte für Energierecht bei Pinsent Masons. „Denn der von der Ampel-Koalition nun angedachte Mechanismus zielt bemerkenswerterweise gerade nicht darauf ab, das Preisniveau für Strom am Großhandelsmarkt tatsächlich zu senken, beispielsweise durch eine Änderung des Strommarktdesigns, sondern erzielte Gewinne nach einem noch nicht im Einzelnen bekannten Verteilungsschlüssel zur Senkung der Stromkosten sowie der Netzentgelte für bestimmte Verbrauchergruppen zu nutzen.“
Dr. von Richthofen rät: „Sobald die konkreten Regelungen bekannt sind, sollte daher insbesondere die energieintensive Industrie kritisch prüfen, ob diese Regelungen insbesondere mit EU-Beihilfen- und Verfassungsrecht vereinbar sind, etwa wenn sie über den gewählten Mechanismus für die Subventionierung anderer Verbrauchsgruppen aufkommen muss.“
Auch die EU diskutiert bereits über Maßnahmen zur Abschöpfung solcher Zufallsgewinne. Am Freitag sollen die Energieminister aller EU-Mitgliedstaaten hierüber beraten. Im Maßnahmenpapier der Ampel-Koalition heißt es, die Bundesregierung werde sich auf EU-Ebene nachdrücklich dafür einsetzen, dass schnell eine Erlösobergrenze für Anlagen mit geringen Produktionskosten eingeführt wird. Sollte die EU nicht zeitnah entsprechende Maßnahmen ergreifen, so will die Bundesregierung selbst aktiv werden und die Erlösobergrenze einführen.
Darüber hinaus heißt es in dem Papier, die Bundesregierung wolle sich dafür einsetzen, dass ein System zur Abschöpfung von Zufallsgewinnen auf EU-Ebene auch außerhalb des Strommarktes entwickelt wird.
Out-Law News
08 Jul 2022