Während der Corona-Krise kann das Bundesministerium der Gesundheit anordnen, dass Patente zum Wohl der Gemeinschaft genutzt werden. Patentinhabern steht in diesem Fall eine Entschädigung zu.
Im Wettrennen gegen Covid-19 arbeiten Pharmaunternehmen, Forschungseinrichtungen und Hersteller von Arzneimitteln und Medizintechnologie unter Hochdruck an Impfstoffen, Medikamenten und Geräten, um der Krankheit entgegenzutreten. Dabei ist für sie von besonderem Interesse, dass sie ihre Patente auch während der Pandemie wirtschaftlich verwerten können, denn für ihre Arbeit erhoffen sie sich entsprechende Einnahmen, wenn ihre Produkte zugelassen und vermarktet werden.
Durch das wegen der Corona-Krise erlassene und bereits in Kraft getretene Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite (EpidemieSchutzG) kann das Bundesministerium der Gesundheit (BMG) die Nutzung von Patenten und anderen gewerblichen Schutzrechten anordnen. Das ist bemerkenswert, weil nach dem Patentrecht nur die gesamte Regierung, und nicht ein einzelnes Ministerium, eine vergleichbare Anordnung „im Interesse der öffentlichen Wohlfahrt“ erlassen darf. Zudem darf das BMG durch das neue Gesetz auch eine ihm unterstellte Behörde, beispielsweise das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), mit der Anordnung einer Benutzung beauftragen. Von dieser Regelung wurde bislang allerdings noch nicht Gebrauch gemacht.
Solche Anordnungen dürfen nur getroffen werden, wenn sie Erfindungen in Bezug auf Arznei- und Betäubungsmittel, die Wirk-, Ausgangs- und Hilfsstoffe dafür, Medizinprodukte, Labordiagnostik, Hilfsmittel, Gegenstände der persönlichen Schutzausrüstung und Desinfektionsmittel betreffen.
Dabei handelt es sich allerdings um einen massiven Eingriff in durch das Grundgesetz geschützte Eigentumspositionen. Eine Benutzungsanordnung darf daher nur zur „Sicherheit des Bundes“ oder „im Interesse der öffentlichen Wohlfahrt“ erfolgen, wie es in dem Gesetz heißt. Letzteres wäre beispielsweise der Fall, wenn die Nutzung eines Patents angeordnet würde, um dafür zu sorgen, dass es genügend Beatmungsgeräte für an Covid-19-Erkrankte gibt. In diesem Fall könnten auch Hersteller, die kein Patent für Beatmungsgeräte haben, kurzfristig mit der Produktion solcher Geräte beginnen. Bevor solche Dritte eine Erfindung nutzen, müssen Ministerium und Behörden den Inhaber des Patents aber darüber informieren.
Patentinhaber hätten in solchen Fällen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung durch die Bundesregierung. Allerdings darf nur eine „angemessene Vergütung“ verlangt werden. Sie wird voraussichtlich geringer ausfallen als der Schadensersatzanspruch, den beispielsweise ein Patentinhaber wegen einer Patentverletzung geltend machen kann. Ein Anspruch auf vollständigen Schadensersatz wird wohl nur dann bestehen, wenn die Benutzungsanordnung rechtswidrig war.
Patentinhaber können sich auf unterschiedliche Weise gegen eine Benutzungsanordnung wehren. Sie kann beispielsweise vor einem Verwaltungsgericht angefochten werden. Wurde die Benutzungsanordnung von der Bundesregierung oder einer obersten Bundesbehörde getroffen, kann sie allerdings nur vor dem Bundesverwaltungsgericht angefochten werden. Geht es hingegen nicht um die Benutzungsanordnung selbst, sondern die Höhe der angemessenen Vergütung, kann vor den Zivilgerichten geklagt werden.
Benutzungsanordnungen können übrigens nicht nur nationale deutsche Patente betreffen, sondern auch den deutschen Teil von Europäischen Patenten. Erfasst werden dürften auch Gebrauchsmuster – ungeprüfte technische Schutzrechte – und die für Arzneimittel besonders wichtigen ergänzenden Schutzzertifikate, mit denen ihr Patentschutz um bis zu fünf Jahre verlängert werden kann.
Ist die Pandemie beendet, muss der Bund die ausgerufene „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ aufheben. Dann haben die betroffenen Patentinhaber Anspruch darauf, dass auch die Nutzungsanordnung für ihre Patente aufgehoben wird.