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Marktmächtige Unternehmen müssen bei Verhandlungen kartellrechtliches Anzapfverbot beachten


Das Bundeskartellamt nimmt auch weiterhin Unternehmen ins Visier, die ihre Nachfragemacht gegenüber Lieferanten ausnutzen und somit gegen das kartellrechtliche Anzapfverbot verstoßen. Im jüngsten Fall gegen Edeka wurden die Ermittlungen eingestellt.

In der vergangenen Woche gab das Bundeskartellamt (BKartA) bekannt, dass es seine Ermittlungen gegen Edeka im Zuge der Übernahme von Real-Standorten eingestellt hat. Ein Verstoß gegen das Anzapfverbot könne ausgeschlossen werden, wenn Edeka, wie angekündigt, bestimmte Vorgaben des Amts einhalte. Entsprechende Ermittlungen wegen vergleichbarer Vorwürfe gegen den zur Schwarz-Gruppe gehörenden Lebensmitteleinzelhändler Kaufland dauern noch an. Das BKartA hat Kaufland aufgefordert, zu einer Reihe von Fragen Stellung zu nehmen.

Das kartellrechtliche Anzapfverbot verbietet Nachfragern, die auf Beschaffungsmärkten marktbeherrschend sind, ohne sachlich gerechtfertigten Grund von ihren Anbietern Vorteile zu fordern. Selbiges gilt, wenn nachfragende Unternehmen zwar nicht marktbeherrschend sind, aber eine so starke Marktstellung besitzen, dass Anbieter oder Lieferanten von ihnen abhängig sind. Entscheidend ist insbesondere, dass Sonderforderungen nicht ohne eine entsprechende Gegenleistung erhoben werden.

Edeka hatte im Zuge der Übernahme von Real-Standorten von verschiedenen Lieferanten Sonderleistungen gefordert. Es geht um Sondervermarktungsaktionen auf der Großfläche. Das Bundeskartellamt war der Frage nachgegangen, ob diese Forderungen gegen das kartellrechtliche Anzapfverbot verstießen. Edeka hatte nach Einleitung der Ermittlungen des BKartA die Verhandlungsrunden mit den Lieferanten vorerst gestoppt.

Das BKartA hat nach dem Ergebnis der Ermittlungen keine Einwände gegen eine Wiederaufnahme der Verhandlungen, wenn Edeka bestimmte Gesichtspunkte hinsichtlich konkreter Gegenleistungen und optionaler Buchbarkeit berücksichtigt:

  • Die individuellen Gegenleistungen von Edeka gegenüber den Lieferanten für die geforderten Zuschüsse sind warenwirtschaftlicher Natur und produktspezifisch konkretisiert.
  • Die besonderen, optionalen Vermarktungsaktionen in großflächigen Filialen sind für die Lieferanten lediglich optional hinzubuchbar und die konkret vereinbarten Werbeaktionen werden tatsächlich durchgeführt.
  • Die Gegenleistungen sind für die Lieferanten kalkulierbar, das heißt über die konkret vereinbarten Werbeaktionen hinaus verlangt Edeka keine Vergütungen von den Lieferanten für die hinzugewonnen Real-Standorte.
  • Im Verhältnis zu den geltenden Konditionen aus den Jahresgesprächen findet keine Doppelvergütungen für bereits abgegoltene Gegenleistungen statt.

Grundsatzfragen bereits geklärt

Einige wesentliche Grundsatzfragen zur Auslegung des Anzapfverbots hatte der Bundesgerichtshof bereits 2018 in seiner „Hochzeitsrabatte“-Entscheidung geklärt. Auch damals ging es um Edeka.

Edeka hatte nach Übernahme der Plus-Märkte im Jahr 2009 von Lieferanten sogenannte „Hochzeitsrabatte“ gefordert. Das Bundeskartellamt hatte daraufhin im Jahr 2014 entschieden, dass bestimmte Rabatt-Forderungen missbräuchlich waren. Sie erfolgten ohne sachlich gerechtfertigten Grund und wälzten das unternehmerische Risiko zu stark auf die Lieferanten ab. Dies betraf unter anderem die Beteiligung an den Kosten für den Umbau der Filialen durch eine sogenannte „Partnerschaftsvergütung“ sowie „Synergieboni“ oder „Sortimentserweiterungsboni“, darüber hinaus eine pauschale Anpassung der Zahlungsziele an die von Plus und eine Angleichung an vorteilhaftere und teilweise weit zurückliegende Plus-Einkaufskonditionen im Wege des „Bestwertabgleichs“. Ein Bußgeld hatte das Bundeskartellamt nicht verhängt. Edeka wehrte sich gegen die Entscheidung des BKartA und zog vor Gericht, der Bundesgerichthof (BGH) stimmte der Entscheidung des BKartA jedoch in Teilen zu.

Das Verfahren trug unter anderem dazu bei, die Grenze zwischen – kartellrechtlich zulässigen – „harten Verhandlungen“ und unzulässigen Verhaltensweisen marktmächtiger Unternehmen abzustecken. Auch stellte der BGH erstmals klar, dass das Anzapfverbot nicht nur den Schutz der Wettbewerber des marktmächtigen Unternehmens bezweckt, sondern auch den Schutz der Lieferanten, gegenüber denen Forderungen erhoben werden.

Nach Auffassung des BGH ist ein Auffordern bereits das erste Ansprechen der Gegenseite und als jegliche Form der Willensbeeinflussung weit zu verstehen. Dabei ist unerheblich, ob dies im Zuge von Verhandlungen, als deren Endpunkt oder in sonstiger Weise geschieht.

Ferner stellte der BGH fest, dass eine Vermutung für das Fehlen einer sachlichen Rechtfertigung spricht, wenn zwischen Forderung und Grund oder angebotener Gegenleistung ein offensichtliches Missverhältnis besteht. Dabei ist eine Gesamtbetrachtung der verlangten Konditionen auf deren Leistungsgerechtigkeit hin vorzunehmen. Forderungen sind grundsätzlich leistungsgerecht, wenn sie ihren Grund in der Menge der abgenommenen Waren oder in bestimmten Serviceleistungen oder anderen betriebswirtschaftlich kalkulierbaren Gegenleistungen haben.

Marktmächtige Unternehmen sollten daher darauf achten, dass Forderungen nur mit gesicherter Gegenleistung und mit einem lieferanten-, waren- oder artikelbezogen ermittelten Betrag erhoben werden. Dies umfasst beispielsweise auch eine Listungs- oder Abnahmegarantie für eine bestimmte Dauer.

Bundeskartellamt wachsam

Auch die Möbelhauskette XXXLutz hatte im Jahr 2018 Rabattforderungen gegenüber seinen Lieferanten angepasst, nachdem das BKartA Ermittlungen eingeleitet hatte. XXXLutz war im Zuge der Ermittlungen davon abgerückt, von ihren Lieferanten zum 75-Jährigen Unternehmensjubiläum „Jubiläumsrabatte“ in Höhe von 7,5 Prozent ohne explizite Gegenleistung zu fordern. Das BKartA vermutete, dass keine sachliche Rechtfertigung für die Forderung bestanden hatte. Es habe keine gesicherte Gegenleistung des Händlers gegeben. Die Höhe der pauschal verlangten Jubiläumsrabatte habe sich offenbar allein an der Zahl „75“ des anstehenden Jubiläums orientiert.

Plattformbetreiber Amazon war nach Ermittlungen des BKartA, die auch einen möglichen Verstoß gegen das Anzapfverbot umfassten, im Jahr 2019 weltweit von der Vereinbarung bestimmten allgemeiner Geschäftsbedingungen abgerückt.

Das Bundeskartellamt richtet den Fokus auch weiterhin auf die Durchsetzung des Anzapfverbots. Auch im Rahmen der Freigabe der Fusion von Karstadt und Galeria Kaufhof im Jahr 2018 hatte es beispielweise explizit angekündigt, die künftigen Aktivitäten des gegründeten Gemeinschaftsunternehmens im Hinblick auf das Anzapfverbot zu beobachten. Es wolle die Einkaufskooperation im Bereich Sport und Outdoor im Nachgang an die Fusion wettbewerbsrechtlich prüfen.

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