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EuGH: Banken können sich bei missbräuchlichen Vertragsklauseln nicht auf Verjährung stützen


Missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen sind nach europäischem Recht für den Verbraucher nicht bindend. Der EuGH hat nun entschieden, dass sich Banken gegen die Feststellung der Missbräuchlichkeit nicht mit dem Verweis auf Verjährung verteidigen können.

Auch aus missbräuchlichen Klauseln resultierende Rückforderungsansprüche können nur sehr eingeschränkt verjähren.

In den Fällen, auf die sich das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) bezieht, ging es um Hypothekendarlehen, die Verbraucher in den Jahren 2008 und 2009 abgeschlossen hatten. Die Darlehen lauteten auf Schweizer Franken und mussten in Euro zurückgezahlt werden. Aus möglichen Währungsschwankungen ergab sich ein Wechselkursrisiko, das die Verbraucher als Darlehensnehmer allein zu tragen hatten.

Die finanzielle Belastung stieg ab 2011 deutlich an, als sich der Euro gegenüber dem Schweizer Franken abschwächte. Nachdem die Kreditnehmer mit der Zahlung der monatlichen Raten in Schwierigkeiten geraten waren, wurden Verfahren vor französischen Gerichten eingeleitet. Die Gerichte hatten zu prüfen, ob die Klauseln der oben genannten Darlehensverträge, die die Verbraucher einem unbegrenzten Wechselkursrisiko aussetzten, gemäß der EU-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen als missbräuchlich anzusehen und daher für die Verbraucher nicht bindend sind. Wäre dies der Fall, könnten die Verbraucher versuchen, Rückforderungen geltend zu machen. In diesem Kontext haben die mit den Fällen befassten französischen Gerichte dem EuGH eine Reihe von Fragen zur Auslegung der Richtlinie vorgelegt. Diese Fragen zielten unter anderem darauf ab, ob den Ansprüchen der Verbraucher auf Feststellung der Missbräuchlichkeit sowie auf Rückforderung  geleisteter Zahlungen seitens der Banken Verjährung entgegengehalten werden kann.

Verjährungsfristen und Verbraucherschutz

Verjährung soll unter anderem Rechtssicherheit und Rechtsfrieden bewirken. Die effektive Durchsetzung des Verbraucherschutzes kennt allerdings keine zeitliche Limitierung. Das europäische Recht sieht vielmehr einschränkungslos vor, dass missbräuchliche Vertragsbestimmungen unverbindlich sein müssen. Diesen Widerspruch zwischen Verbraucherschutz auf der einen und Rechtssicherheit durch Verjährungsfristen auf der anderen Seite löste der EuGH nun überwiegend zu Gunsten des Verbraucherschutzes auf.

Der EuGH entschied, „dass missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen für den Verbraucher unverbindlich und als von Anfang an nicht existent anzusehen sind, so dass sie keine Wirkungen auf die Sach- und Rechtslage haben können.“ Folglich könne der Antrag eines Verbrauchers auf Feststellung der Missbräuchlichkeit einer in einem solchen Vertrag enthaltenen Klausel keiner Verjährungsfrist unterliegen. Geht es um die Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel, kann sich das Unternehmen daher nicht mit Verjährung verteidigen.

Keine Verjährung ohne Kenntnis

Im Fall einer missbräuchlichen Klausel kommen für betroffene Verbraucher Rückforderungsansprüche in Betracht. Die mitgliedsstaatlichen Rechtsordnungen sehen auch für diese Rückforderungsansprüche Verjährungsfristen vor. Im Grundsatz sei das in Ordnung, so der EuGH: Zwar könne ein Mitgliedstaat nationale Gesetze erlassen, die Rückforderungsansprüche Verjährungsfristen unterwerfen. Allerdings müsse sichergestellt sein, dass ein Kunde von sämtlichen Ansprüchen ausreichend Kenntnis erlangen konnte, bevor diese Verjährung eintritt.

Anders sah es das vorliegend einschlägige französische Recht vor. Danach verjähren Ansprüche innerhalb von fünf Jahren ab Kenntniserlangung. Kenntnis lag mit Annahme des Vertragsangebots in 2008 beziehungsweise 2009 vor, denn zu diesem Zeitpunkt lagen die relevanten Klauseln auf dem Tisch. Der EuGH hielt nunmehr fest, dass in diesem Fall also Verjährung eintreten konnte, ohne dass dem Verbraucher die konkreten Ansprüche überhaupt bekannt sind, beispielsweise da sich die Währungsrisiken, die die Missbräuchlichkeit der Klausel begründen, erst nach Eintritt der Verjährung materialisieren. Eine solche Situation stehe jedoch dem Prinzip der praktischen Wirksamkeit des EU-Rechts entgegen und erschwere es über Gebühr, den Verbraucherschutz aus der Richtlinie durchzusetzen.  

Das Urteil des Gerichtshofs belegt einmal mehr, dass Verbraucherschutz in Luxemburg großgeschrieben wird. Die abschließende Beurteilung der konkreten Fälle, die sich im Sachverhalt unterscheiden, wird den nationalen Gerichten vorbehalten, insbesondere was die Missbräuchlichkeit der verwendeten Klauseln und die Information über die Währungsrisiken bei Vertragsschluss betrifft. Gleichwohl wird aus dem Urteil sehr deutlich, dass für Banken ganz erhebliche Hürden bestehen, wenn es darum geht, den verbraucherschutzrechtlichen Anforderungen gerecht zu werden, und dass auch viele Jahre nach Abschluss der Darlehensverträge noch mit Ansprüchen zu rechnen ist. Auch liegt es im Streitfall bei den Banken nachzuweisen, dass sie die Kunden ausreichend über Währungsrisiken informiert haben.

 

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