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BGH-Urteil zur AGB-Änderung: Banken müssen jetzt handeln


Nachdem der Bundesgerichtshof Klauseln zur schweigenden Zustimmung bei Änderung der AGB von Banken für ungültig erklärt hat, müssen Banken, die vergleichbare Klauseln verwenden, dringend ihre AGB überprüfen und eine Strategie im Umgang mit Rückforderungen erarbeiten.

Im April erklärte der Bundesgerichtshof (BGH) Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) einer Bank für unwirksam, da diese ohne Einschränkungen festlegten, dass Kunden einer Änderung der AGB zustimmen, indem sie auf deren Ankündigung nicht reagieren. In so einem Fall spricht man auch von stillschweigender Zustimmung oder Zustimmungsfiktion. Nun wurde auch das vollständige Urteil veröffentlicht, aus dem sich die volle Tragweite der Entscheidung ergibt.

 

Banken, die gleiche oder ähnliche Klauseln zur stillschweigenden Zustimmung in ihren AGB verwenden, sollten nun handeln: Die verwendeten AGB sollten angepasst werden. Auch sollten sich Banken darauf einstellen, dass Kunden auf Grundlage des Urteils versuchen werden, unwirksam erhöhte Gebühren zurückzufordern.

Was besagt das Urteil?

In dem Fall, über den der BGH entschied, hieß es in den AGB einer Bank unter dem Punkt „Änderungen“ konkret: „Die Zustimmung des Kunden gilt als erteilt, wenn er seine Ablehnung nicht vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen angezeigt hat.“ Unter dem Punkt „Änderung von Entgelten bei typischerweise dauerhaft in Anspruch genommenen Leistungen“ wurde der Satz wiederholt und bezog sich somit auch auf die Änderung von Gebühren. Durch die Verwendung dieser Klauseln sollte es der Bank insbesondere möglich sein, Gebührenerhöhungen durchzuführen, sofern der Kunde den Änderungen nicht innerhalb der gesetzten Frist widersprach. Die Verwendung solcher Klauseln schien bisher möglich, da sich ihr Inhalt sinngemäß mit den in Paragraf 675g des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) enthaltenen Regelungen deckt.

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände hatte dennoch gegen die Klausel geklagt, das Verfahren ging durch mehrere Instanzen bis vor den BGH. Das Landgericht und das Oberlandesgericht in Köln hatten die Klage abgewiesen, der BGH gab den Verbraucherschützern jedoch Recht. Er erklärte die Klauseln in dieser Form für ungültig, da sie sich nicht nur auf eine Anpassung einzelner Details der AGB bezogen, sondern eine Änderung der gesamten AGB ermöglichten.

Auch die auf das Entgelt bezogene Zustimmungsfiktion sei unwirksam, da sie der Bank eine Möglichkeit böte, das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung erheblich zu ihren Gunsten zu verschieben und damit die Position der Bankkunden zu entwerten, so der BGH.

Der BGH entschied, dass eine so weit gefasste Klausel, die das Schweigen des Kunden als Annahme der Vertragsänderung qualifiziert, gegen wesentliche Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen verstoße und den Kunden unangemessen benachteilige, denn die Klauseln würden von Kunden verlangen, nicht für, sondern gegen die von der Bank gewünschte Vertragsänderung aktiv zu werden. Ob der Kunde nun untätig bleibe, weil er überfordert, durch Krankheit verhindert oder tatsächlich einverstanden ist, habe auf die Wirksamkeit der Änderung keinen Einfluss. Die Klauseln liefen deshalb gerade gegenüber ungewandten Verbrauchern auf eine einseitige, inhaltlich nicht eingegrenzte Änderungsbefugnis der Bank hinaus und seien daher unwirksam. Daran ändere auch das Sonderkündigungsrecht des Kunden nichts. Vielmehr ist laut BGH „für jedwede weitreichenden, die Grundlagen der rechtlichen Beziehungen der Parteien betreffenden Änderungen, die dem Abschluss eines neuen Vertrags gleichkommen können“ ein Änderungsvertrag notwendig.

Welche Folgen hat das Urteil?

Das BGH-Urteil wirkt sich auf alle Kreditinstitute aus, die Klauseln mit einer Zustimmungsfiktion verwenden, die sinngemäß den oben genannten Klauseln entsprechen.

Johanna Weißbach

Rechtsanwältin, Partner

Auch andere Unternehmen der Finanzbranche, die ebenfalls Gebührenerhöhungen mittels Zustimmungsfiktion durchführen, könnten betroffen sein.

Da sich der BGH in seinem Urteil auf die EU-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen beruft, betrifft das Urteil in jedem Fall alle Privatkundenverträge. Wie die Klauseln im Verhältnis zu Geschäftskunden auszulegen sind, bleibt vorerst offen.

Daneben können weitere Sparten der Finanzbranche betroffen sein, wie beispielsweise Versicherungsgesellschaften, die ebenfalls Gebührenerhöhungen mittels Zustimmungsfiktion durchführen oder durchgeführt haben.

Unter anderem drohen Erstattungsansprüche, denn Kunden, die aufgrund der oben genannten oder diesen sinngemäß entsprechenden Klauseln erhöhte Gebühren an ihre Bank gezahlt haben, könnten versuchen, diese zurückzufordern. Daneben könnten Kunden Ansprüche auf Nutzungswertersatz geltend machen, da ihnen das möglicherweise zu Unrecht gezahlte Geld nicht zur anderweitigen Nutzung zur Verfügung stand. Auch Ansprüche auf Verzugszinsen ab Mahnung sind möglich.

Zudem haben Verbraucher gemäß Paragraf 10 Zahlungskontengesetz Anspruch darauf, dass ihnen kostenlos eine Entgeltaufstellung zugeleitet wird. Dies könnten Kunden nun vermehrt einfordern.

Sofern weiterhin unwirksame Klauseln verwendet werden, könnte dies gravierende rechtliche Folgen haben und insbesondere die Geltendmachung von Schadensersatz- oder Unterlassungsansprüchen nach sich ziehen.

Wann verjähren die Ansprüche?

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre und beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den Umständen Kenntnis erlangt hat, die seinen Anspruch begründen, oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Kunden könnten damit jedenfalls Gebührenzahlungen ab dem 1. Januar 2018 von ihrer Bank zurückzufordern, sofern im Jahr 2021 noch rechtliche Schritte eingeleitet werden.

Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch weiter zurückliegende Gebührenzahlungen von den Kunden zurückgefordert werden können: In Ausnahmefällen wird der Verjährungsbeginn hinausgeschoben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt. Ob dies hier zutrifft, bleibt abzuwarten.

Was tun?

Betroffene Unternehmen sollten ihre Verträge darauf prüfen, ob identische oder ähnliche Klauseln verwendet werden. Sie sollten ermitteln, wie viele Verträge betroffen sind und wie hoch potenzielle Rückforderungen ausfallen könnten. Basierend darauf sollten entsprechende Rückstellungen gebildet werden.

Christian Schmidt

Rechtsanwalt, Partner, Head of Munich office

Banken sollten Strategien für den Umgang mit Beschwerden und Rückforderungen erarbeiten. 

Auch sollten die Klauseln nicht mehr verwendet und keine Vertragsänderungen mehr auf ihrer Grundlage durchgeführt werden. Wurden bereits Gebühren auf Grundlage solcher Klauseln erhöht, ist zu erwägen, auf welcher neuen Grundlage diese Gebühren künftig gefordert werden können. Gegebenenfalls muss ein Änderungsvertrag zwischen Kunde und Bank abgeschlossen werden.

Zudem sollten Banken Strategien für den Umgang mit Beschwerden und Rückforderungen erarbeiten. Zentrale Fragen sind: Sind genügend Ressourcen vorhanden, um die Beschwerden zu bearbeiten? Welche Verteidigungsstrategie soll ergriffen werden? Sind spezielle Prozesse für die Abwicklung von Rückforderungen erforderlich?

 

Co-Autorin: Anna Schwingenheuer

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