Out-Law Analysis Lesedauer: 4 Min.
25 Nov 2021, 8:47 am
Das Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes ist gestern in Kraft getreten. Es führt „3G“ am Arbeitsplatz ein und reaktiviert die Homeoffice-Pflicht. Das bringt viele neue Auflagen für Arbeitgeber mit sich – und oft auch offene Fragen.
Die Änderung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) wurde erst in der vergangenen Woche von Bundestag und Bundesrat beschlossen. Sie soll nach dem heutigen Auslaufen der „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ einen neuen Rechtsrahmen für Infektionsschutzmaßnahmen schaffen. Hierzu wird im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes ein konkreter Maßnahmenkatalog eingeführt, darunter auch neue Vorgaben für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Maßnahmen sind zunächst bis zum 19. März 2022 befristet.
Der neu gefassten Paragraf 28b IfSG beinhaltet insbesondere eine allgemeine Regelung zu „3G“ am Arbeitsplatz: So dürfen sowohl Arbeitgeber als auch Beschäftigte die Arbeitsstätte nur dann betreten, wenn sie nachweisen können, dass sie gegen COVID-19 geimpft, davon genesen oder negativ darauf getestet sind. Ausgenommen von dieser Regel sind lediglich Arbeitsstätten, in denen „physische Kontakte von Arbeitgebern und Beschäftigten untereinander oder zu Dritten“ ausgeschlossen werden können. Die Formulierung „physischer Kontakt“ ist dabei sehr weit zu verstehen. Es genügt also beispielsweise nicht, wenn Einzelbüros zur Verfügung stehen oder nur wenige Personen auf einem großen Betriebsgelände arbeiten. Denn auch in diesem Fall können physische Kontakte nicht ausgeschlossen werden. Zudem darf die Arbeitsstätte auch betreten, wer sich dort direkt testen oder impfen lässt. Darüber hinaus besteht auch die Frage, was bei Sonderformen der Arbeit als Arbeitsstätte im Sinne des Gesetzes zu verstehen ist.
Die neuen Regeln gelten für jeden, der bei der Arbeit Kontakt zu Kollegen oder zu Dritten hat. Die Form des Arbeitsverhältnisses ist unerheblich: Auch Arbeitgeber, Praktikanten, Leiharbeiter oder freie Mitarbeiter müssen die Voraussetzungen für 3G erfüllen.
Arbeitgeber sollten auf dieser Grundlage zeitnah ein betriebliches Zugangskonzept erstellen. Dieses sollte insbesondere Nachweiskontrollen, entsprechende Prozesse zur Dokumentation sowie ein Testkonzept vorsehen. Je nach Art des Betriebs kann dies zu erheblichen praktischen Herausforderungen führen, etwa bei der Information der Beschäftigten über die neuen Regelungen.
Als geimpft gilt laut dem neuen Gesetz, wer einen anerkannten Nachweis darüber vorlegen kann, dass er vor mindestens 14 Tagen die letzte erforderliche Einzelimpfung mit einem in der EU anerkannten COVID-19-Impfstoff verabreicht bekommen hat.
Als genesen gilt, wer nachweisen kann, dass er vor mindestens 28 Tagen und maximal sechs Monaten an COVID-19 erkrankt ist.
Wer weder geimpft noch genesen ist, kann einen Negativtest vorlegen. Ein negativer Testnachweis muss aktuell sein und von einer offiziellen Stelle stammen. Ein Schnelltestergebnis gilt als aktuell, wenn es maximal 24 Stunden alt ist, ein PCR-Testergebnis hingegen darf bis zu 48 Stunden alt sein. Alternativ kann auch ein Test im Betrieb durchgeführt werden, dann allerdings unter Aufsicht oder durch geschultes Personal. Das heißt in der Praxis, dass nicht geimpfte oder genesene Beschäftigte in der Regel täglich einen Schnelltest vorlegen müssen.
Können oder wollen Beschäftigte nicht nachweisen, dass sie geimpft, genesen oder getestet sind, dürfen sie das Betriebsgelände nicht betreten. Sofern es ihnen nicht möglich ist, von Zuhause zu arbeiten, bedeutet das, dass sie ihre Arbeitsleistung nicht erbringen können. Somit entfällt ihr Anspruch auf Arbeitsentgelt. Zudem dürften in der Regel arbeitsrechtliche Maßnahmen wie der Ausspruch einer Ermahnung, Abmahnung und als letztes Mittel sogar die Kündigung gerechtfertigt sein.
Auch für Beschäftigte im Außendienst gilt unserer Auffassung nach grundsätzlich die 3G-Pflicht. Eine tägliche Kontrolle durch den Arbeitgeber muss aus unserer Sicht jedoch nicht in jedem Fall erfolgen. Diese ist dem Wortlaut des Gesetzes nach nur nötig, wenn Beschäftigte eine Arbeitsstätte betreten, worunter insbesondere das Betriebsgelände und Baustellen fallen dürften. Es ist jedoch ratsam, grundsätzlich auch für Beschäftigte im Außendienst Kontrollmechanismen einzuführen. Deren Intensität sollte sich danach richten, wie viel Kontakt mit anderen Personen für die Tätigkeit typisch ist. Denkbar ist die digitale Übertragung eines Schnelltestergebnisses und dessen Kontrolle durch den jeweiligen Vorgesetzten vor dem Arbeitsbeginn. Eine Kontrolle muss in jedem Fall erfolgen, wann immer die Beschäftigten das Betriebsgelände aufsuchen.
Der Gesetzesentwurf enthält eine Rechtsgrundlage zur Erhebung des Impf-, Genesenen- und Teststatus für die Arbeitgeber sowie eine Dokumentationspflicht des Arbeitgebers, da anderenfalls die Arbeitgeber ihrer Kontrollpflicht nicht nachkommen könnten. Die Daten dürfen auch zur Anpassung des betrieblichen Hygienekonzepts auf Grundlage der Gefährdungsbeurteilung gemäß den Paragrafen 5 und 6 des Arbeitsschutzgesetzes verwendet werden. Es bestehen zudem bestimmte Auskunftspflichten gegenüber den zuständigen Behörden.
Allerdings ist aktuell noch nicht rechtssicher geklärt, ob Arbeitgeber die Daten über den 3G-Status auch über längere Zeit und gegebenenfalls elektronisch speichern und verarbeiten dürfen. Eine entsprechende Rechtsgrundlage ist dem Infektionsschutzgesetz jedenfalls nicht ausdrücklich zu entnehmen. In einer ersten Stellungnahme bewertet der Bundesbeauftragte für Datenschutz eine Speicherung über den Zeitpunkt der konkreten Kontrolle hinaus sehr kritisch. Um die Daten über die Erfüllung der Zugangsvoraussetzungen länger zu speichern, beispielsweise auf einem Werksausweis, könnte es daher vorsichtshalber sinnvoll sein, eine separate Einwilligung der Arbeitnehmer über die Datenspeicherung einzuholen. Zudem müssen Arbeitnehmer über die konkrete Verarbeitung der personenbezogenen Daten aufgeklärt werden und datenschutzrechtlichen Grundsätze wie die Datenminimierung müssen beachtet werden.
Verletzung der Kontroll- und Dokumentationspflichten können mit Geldbußen bis zu 25.000 Euro geahndet werden. Verstößt der Arbeitgeber beim Verarbeiten der Gesundheitsdaten gegen das Datenschutzrecht, sind deutlich höhere Bußgelder sowie Schadensersatzforderungen betroffener Beschäftigter möglich. Bei schwerwiegenderen Verstößen im Zusammenhang mit dem Infektionsschutz sind zudem gewerbeaufsichtsrechtliche Maßnahmen, Schließungen oder Strafverfolgung denkbar.
Gemäß der aktuell geltenden Corona-Arbeitsschutzverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) müssen Arbeitgeber ihren Beschäftigten weiterhin zwei kostenlose Schnelltests pro Woche anbieten, sofern sie nicht geimpft oder genesen sind. Diese Tests können für die betriebliche Testung im Rahmen der 3G Regelung verwendet werden.
Schnelltests im Betrieb unmittelbar vor Arbeitsantritt haben unter Aufsicht oder durch geschultes Personal zu erfolgen. Die Beschäftigten können sich also selbst testen, müssen dabei aber beaufsichtigt werden. Es werden keine speziellen Anforderungen an die Aufsicht gestellt. Aus unserer Sicht dürfte es dennoch sinnvoll sein, den Aufsichtspersonen den Ablauf und die Handhabung der Testung, zum Beispiel durch den Betriebsarzt, erläutern zu lassen.
Das Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes führt auch die noch aus der ersten Jahreshälfte bekannte Homeoffice-Pflicht wieder ein: Der Arbeitgeber muss den Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten Homeoffice anbieten, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Die Beschäftigten haben dieses Angebot anzunehmen, soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen. Der Arbeitgeber muss also schwerwiegende Gründe haben, das Angebot auf Homeoffice nicht zu unterbreiten; der Arbeitnehmer kann dagegen aus jedem nachvollziehbaren Grund darauf verzichten.