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Kartellrecht: Weniger Kronzeugen, mehr Kooperationen und ein neues Wettbewerbsregister


Das Bundeskartellamt (BKartA) blickt auf ein durch COVID-19 geprägtes Jahr zurück, doch nicht alle Trends, die die Behörde verzeichnet, sind auf die Pandemie zurückzuführen. In Kartellabsprachen verwickelte Unternehmen müssen sich auf ein bundesweit einheitliches Wettbewerbsregister einstellen, das 2021 „live” gehen soll. 

COVID-19 hat sich insbesondere im Bereich der Bußgeldverfahren ausgewirkt. Die Durchführung von Durchsuchungen wurde etwa erst wieder möglich, nachdem das BKartA entsprechende Hygienekonzepte erarbeitet hatte. „Mittlerweile wäre es verfehlt zu denken, die Behörde durchsuche aufgrund der außergewöhnlichen Umstände nicht. Auch andere Wettbewerbsbehörden haben während der Pandemie Durchsuchungen durchgeführt, beispielsweise in Griechenland und Italien. Mitarbeiter müssen also ausreichend präpariert sein, um zu wissen, wie sie sich bei einer Durchsuchung verhalten sollten“, so Dr. Laura Stammwitz, Expertin für Kartellrecht bei Pinsent Masons, der Kanzlei hinter Out-Law.

Unabhängig von der Pandemie ist zu beobachten, dass Bonusanträge weiter zurückgehen – und das nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Mit derartigen Anträgen können sich geständige Kartellteilnehmer an die Wettbewerbsbehörden wenden und im Rahmen der Ermittlungen dazu beitragen, ein Kartell aufzudecken. Im Gegenzug und je nach Beitrag kann die Behörde das Bußgeld erlassen oder reduzieren.  

Der Präsident des Bundeskartellamtes Andreas Mundt informierte bei einer Veranstaltung kürzlich darüber, dass es im laufenden Jahr bis zum 1. Dezember nur elf Bonusanträge in elf Verfahren gab. Im Vergleich dazu gab es in den Vorjahren erheblich mehr Anträge: Im Rekordjahr 2015 waren es 76 Anträge in 29 Verfahren. Die rückläufige Entwicklung führt Mundt jedoch nicht auf die Corona-Krise zurück, sondern auf mögliche Schadenersatzklagen, die den Kartellteilnehmern im Anschluss an das behördliche Verfahren drohen. Dr. Stammwitz zufolge wurde die Stellung von Schadenersatzklägern in den letzten Jahren deutlich aufgewertet. „Wenn aber geschädigte Unternehmen heute besser Schadenersatz vor Gericht einfordern können, dann dürften jene Unternehmen, die an einem Kartell beteiligt sind und als potentielle Beklagte in Betracht kommen, selbst dann, wenn sie ohne Bußgeld bleiben, kaum ein Interesse daran haben, das Kartell aufzudecken.”

Unabhängig vom Bonusprogramm entwickelt das BKartA nach eigenen Angaben sogenannte Screening-Methoden zur Aufdeckung von Kartellen weiter. Hierbei werden etwa Kundenhinweise und Daten aus dem Markt auf Auffälligkeiten überprüft. 

Kooperationen von Unternehmen wurden – etwa im Bereich Lebensmitteleinzelhandel und der Logistik – erforderlich, um während der Krise vor allem bei komplexen Lieferketten Engpässe zu vermeiden. Anfragen zur Zulässigkeit dieser Kooperationen waren laut Angaben des BKartA im ersten Lockdown höher als im zweiten.

Die wohl umfangreichste Kooperationsanfrage dürfte vom Verband der Automobilindustrie stammen: Er konnte mit der Behörde Rahmenbedingungen für einen koordinierten Neustart des automobilen Ökosystems und die Abläufe zur raschen Sanierung krisengeplagter Zuliefer-Unternehmen erörtern. Die dafür erforderliche Koordination, auch unter Wettbewerbern, sah das BKartA in Anbetracht der Lage als gerechtfertigt an und teilte mit, es werde von einer vertieften kartellrechtlichen Prüfung absehen. Grundsätzlich gewähren die Wettbewerbsbehörden kooperationswilligen Unternehmen Hilfestellungen bei der Umsetzung. Dafür sollte das Konzept Experten zufolge aber bereits so ausgearbeitet sein, dass eine kartellrechtliche Prüfung möglich ist.

Anfang des Jahres 2021 soll das bereits im Jahr 2017 angekündigte Wettbewerbsregister sukzessive seinen Betrieb aufnehmen. Es soll beim Bundeskartellamt als elektronische Datenbank geführt werden. Damit steht öffentlichen Auftraggebern, Sektorenauftraggebern und Konzessionsgebern ein Register mit Informationen zur Verfügung, die im Rahmen von Vergabeverfahren die Prüfung ermöglichen, ob ein Unternehmen von diesem Verfahren auszuschließen ist oder ausgeschlossen werden kann. Eingetragen werden bestimmte Wirtschaftsdelikte, zu denen auch der Subventionsbetrug und Kartellabsprachen zählen.

„Um den wirtschaftlichen Schaden, den ein über mehrere Jahre bestehender Eintrag mit sich bringt, gering zu halten, sollten Unternehmen im Vorfeld Maßnahmen ergreifen, die einen Verstoß verhindern. Falls es doch dazu gekommen ist, sollten sie über den Weg der Selbstreinigung nachdenken”, so Dr. Stammwitz. „Der Antrag auf eine vorzeitige Löschung setzt allerdings voraus, dass Unternehmen den an sie gestellten Anforderungen im Rahmen der Selbstreinigung nachkommen. Dazu gehört typischerweise etwa die Wiedergutmachung entstandener Schäden.”

 

Einen Rück- und Ausblick mit Statistiken zu den vom Bundeskartellamt geprüften Fusionen geben wir Mitte Dezember, einen Ausblick auf die aktuelle GWB-Novelle folgt Anfang des Jahres 2021.
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