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EU verabschiedet Erlösobergrenze von 180 EUR/MWh für Stromerzeugung


Nach einer neuen befristeten EU-Verordnung werden die Markterlöse, die Erzeuger für die Stromerzeugung erzielen, auf höchstens 180 Euro pro Megawattstunde begrenzt. Darüber hinaus wird die EU einen obligatorischen Solidaritätsbeitrag auf Überschussgewinne aus fossilen Brennstoffen einführen.

Der Europäische Rat hat förmlich die Verordnung des Rates über Notfallmaßnahmen als Reaktion auf die hohen Energiepreise angenommen. Die Verordnung stützt sich auf einen Vorschlag, den die Europäische Kommission im September als Reaktion auf die anhaltenden politischen und wirtschaftlichen Folgen des Angriffs Russlands auf die Ukraine vorgelegt hatte. Sie enthält Maßnahmen zur Bewältigung der derzeit hohen Preise auf dem Energiemarkt, darunter eine Obergrenze in Höhe von 180 Euro pro MWh für die Nettoerlöse aus Strom. Ausgenommen von dieser Obergrenze für Markterlöse bei der Stromerzeugung sind Technologien mit hohen Grenzkosten im Zusammenhang mit dem Preis der für die Stromerzeugung erforderlichen Brennstoffe wie Gas- und Steinkohlekraftwerke. Ferner ausgenommen sind Ersatzbrennstoffe für Gas wie Biomethan.

Die geplante Erlösobergrenze ist zeitlich vom 1. Dezember 2022 bis zum 30. Juni 2023 begrenzt. Dem Rat zufolge ist die Obergrenze für Markterlöse erforderlich und berechtigt, weil die Betreiber der betreffenden Stromerzeugungsanlagen „in den letzten Monaten unerwartet hohe finanzielle Gewinne erzielt [haben], ohne dass ihre Betriebskosten gestiegen sind. Grund dafür ist, dass Kohle und Gas preisbildende marginale Quellen sind, die derzeit den Endpreis für Strom in die Höhe treiben.“

Die Obergrenze gilt sowohl für Strom, der auf zentralen Märkten (Börsen) gehandelt wird, als auch für Strom, der auf bilateraler Basis (OTC) gehandelt wird. Dabei haben die Mitgliedstaaten einen gewissen Spielraum bei der Umsetzung der Erlösobergrenze. Unter anderem haben sie die Möglichkeit, kleinere Erzeuger, die Anlagen mit einer installierten Leistung von bis zu ein MW betreiben, von der Erlösobergrenze auszunehmen. Die Mitgliedstaaten können auch Erlöse aus Stromverkäufen auf dem Regelenergiemarkt und aus Ausgleichszahlungen für Redispatching und Countertrading ausschließen. Außerdem können sie die Maßnahmen nicht nur auf Erzeuger, sondern gegebenenfalls auch auf Vermittler, beispielsweise Energiehändler, anwenden. 

Die Verordnung sieht grundsätzlich vor, dass die Überschusserlöse (positive Differenz zwischen Markterlösen und der Obergrenze von 180 EUR/MWh) insbesondere genutzt werden sollen, um Unternehmen und Haushalte angesichts hoher Energiekosten finanziell zu entlasten. Dabei wird es aber den Mitgliedstaaten überlassen, welche konkreten Maßnahmen sie ergreifen, um die Überschusserlöse zu verteilen. Die Mitgliedstaaten sind ferner berechtigt, Überschusserlöse für Investitionen in Energiesicherheitsmaßnahmen zu verwenden, eine noch höhere Obergrenze für Markterlöse festzulegen oder zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, um die Markterlöse weiter zu begrenzen. Außerdem werden die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, unterschiedliche Maßnahmen für verschiedene Arten von Energieerzeugern anzuwenden, je nachdem, welche Technologie diese nutzen – so könnten beispielsweise erneuerbare Energiequellen bevorzugt behandelt werden.

Dr. Valerian von Richthofen, Experte für Energierecht bei Pinsent Masons, kommentierte die neuen Regelungen: „Das Maßnahmenpaket der Kommission ist ambitioniert. Innerhalb sehr kurzer Zeit soll ein komplexer Umverteilungsmechanismus etabliert werden, der bereits ab dem 1. Dezember 2022 zur Anwendung kommen soll. Dabei ist die Mitwirkung der einzelnen Mitgliedsstaaten sowie nahezu sämtlicher Marktteilnehmer erforderlich. Allein die Etablierung der erforderlichen Prozesse zum Datenaustausch dürften eine erhebliche Herausforderung werden. Hinzu kommen zahlreiche bisher nicht abschließend geklärte rechtliche Fragen, vor allem mit Blick auf eine den rechtlichen Anforderungen genügende Verteilung der Überschusserlöse.“

Darüber hinaus führt die Verordnung einen „befristeten obligatorischen Solidaritätsbeitrag“ auf die Gewinne von Unternehmen in den Sektoren Erdöl, Erdgas, Kohle und Raffinerie ein. Der Solidaritätsbeitrag wird auf den steuerpflichtigen Gewinn berechnet: Wenn der durchschnittliche steuerpflichtige Gewinn eines Unternehmens im Jahr 2022 und/oder im Jahr 2023 im Vergleich zu seinem steuerpflichtigen Gewinn seit 2018 um mehr als 20 Prozent gestiegen ist, muss das Unternehmen den „Solidaritätsbeitrag“ entrichten. Die genaue Höhe des Solidaritätsbeitrags wird von den einzelnen Mitgliedstaaten festgelegt, beträgt aber mindestens 33 Prozent der besagten 20-prozentigen Gewinnsteigerung.

„Die Mitgliedstaaten können nationale Maßnahmen beibehalten, die der Solidaritätsabgabe gleichwertig sind, sofern sie mit den Zielen der Verordnung vereinbar sind und mit ihnen mindestens vergleichbare Einnahmen erzielt werden“, so der Rat. Die Gewinne aus dem „Solidaritätsbeitrag“ sollen ebenfalls eingesetzt werden, „um Haushalte und Unternehmen finanziell zu unterstützen und die Auswirkungen der hohen Einzelhandelsstrompreise abzufangen.“

Außerdem sieht die neue Verordnung vor, dass die Mitgliedstaaten ihren monatlichen Strombedarf senken müssen. In Artikel 4 der Verordnung werden ein Gesamtreduktionsziel von zehn Prozent des Bruttostromverbrauchs und ein Reduktionsziel von fünf Prozent des Stromverbrauchs in Spitzenzeiten im Zeitraum zwischen dem 1. Dezember 2022 und dem 31. März 2023 festgelegt. Dem Rat zufolge steht es den Mitgliedstaaten frei, „die angemessenen Maßnahmen auszuwählen, um den Verbrauch in diesem Zeitraum gemäß den beiden Zielvorgaben zu senken.“ 

Darüber hinaus können die Mitgliedstaaten vorübergehend einen Preis für die Lieferung von Strom an kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) festsetzen, die mit hohen Energiepreisen zu kämpfen haben. Sie können auch ausnahmsweise und vorübergehend einen Preis für die Lieferung von Strom festlegen, der unter den Kosten liegt. Die Preisobergrenze muss jedoch eine begrenzte Menge des Verbrauchs abdecken und einen Anreiz zum Energiesparen beinhalten.

Die Verordnung ist bereits in Kraft getreten. Alle Maßnahmen sind zeitlich befristet, die meisten davon gelten vom 1. Dezember 2022 bis zum 31. Dezember 2023. Die Anforderungen an die Mitgliedstaaten, ihre Stromnachfrage zu senken, gelten jedoch nur bis zum 31. März 2023, und die Begrenzung der Erlösobergrenze für Stromerzeuger gilt bis zum 30. Juni 2023.

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