Out-Law Analysis Lesedauer: 3 Min.
03 Sep 2020, 2:19 pm
Täglich gibt es neue Zahlen und Informationen zu dem aktuellen COVID-19-Geschehen. Viele stellen sich zurzeit die Frage, wo man die letzten Wochen des Sommers noch hinreisen kann, denn immer mehr Länder werden zu Risikogebieten erklärt. In diesem Fall müssen die Reiserückkehrer teilweise bis zu 14 Tage in Quarantäne. In diesem Zusammenhang stellt sich sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer die Frage: Müssen Arbeitnehmer in dieser Zeit arbeiten oder Urlaub nehmen? Bekommen sie Gehalt?
Nach anfänglicher Diskussion, bei der sich die Meisten einig waren, dass ein Urlaub im Risikogebiet mit anschließender Quarantäne dazu führen kann, dass Arbeitnehmer Urlaub nehmen müssen, um weiter Vergütung zu erhalten, kam nun zunächst eine Meldung aus dem Gesundheitsministerium, dies sei nicht nötig. Von dort hieß es, dass, wer aus ausgewiesenen COVID-19-Risikogebieten nach Deutschland einreise, sich während der behördlich angeordneten Quarantäne auf die im Infektionsschutzgesetz vorgesehene Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber verlassen könne. Das hatte laut tagesschau.de ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums mitgeteilt.
Dies wurde jedoch kurz danach wieder revidiert. Dazu heißt es auf der Seite der Bundesregierung: Rückkehrer aus Risikogebieten müssen für 14 Tage in Quarantäne und sollen künftig in dieser Zeit keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung oder Entschädigung haben. Der Entschädigungsparagraf im Infektionsschutzgesetz solle entsprechend angepasst werden.
Das Infektionsschutzgesetz sieht in § 56 im Fall von behördlich angeordneter Quarantäne unter bestimmten Voraussetzungen eine Entschädigung in Höhe des Verdienstausfalles für die betroffene Person vor. Hiernach gilt:
„Wer auf Grund dieses Gesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet, erhält eine Entschädigung in Geld.“
Bei Angestellten tritt der Arbeitgeber in Vorleistung und gewährt dem Arbeitnehmer – wie im Falle der krankheitsbedingten Entgeltfortzahlung – bis zu sechs Wochen lang seinen Lohn. Auf Antrag können diese Zahlungen dann von der zuständigen Behörde erstattet werden.
Der Wortlaut soll nun ausdrücklich eingeschränkt werden. In Zukunft soll laut Bundesregierung im Bundesinfektionsschutzgesetz geregelt werden, dass Arbeitnehmer, die bewusst in ein COVID-19-Risikogebiet reisen und damit die Quarantäne wissentlich herbeiführen, keinen Anspruch haben.
Manfred Schmid
Partner, Global Head of Employment & Reward
Die durch die Ministerpräsidenten und die Bundeskanzlerin angedachte Regelung weist in die richtige Richtung.
Anders soll dies sein, wenn die Quarantäne unverschuldet erfolgt, weil beispielsweise das Reiseland erst während der Reise zum Risikogebiet erklärt wird. Aufgrund der bislang unklaren Rechtslage ist eine Klarstellung durch den Gesetzgeber absolut begrüßenswert. Die durch die Ministerpräsidenten und die Bundeskanzlerin angedachte Regelung weist in die richtige Richtung: Es darf schlichtweg nicht sein, dass sich Arbeitnehmer durch Reisen in Risikogebiete bewusst einem Risiko aussetzen und keinerlei Nachteile zu befürchten haben.
Auch bisher wird im Rahmen der Prüfung nach § 56 Bundesinfektionsschutzgesetz schon kontrolliert, ob nach Treu und Glauben ein Anspruch besteht oder dieser nach Billigkeitsgründen ausgeschlossen ist. Ein Mitverschulden, das den Anspruch mindert oder gegebenenfalls sogar ausschließt, kann vorliegen, wenn der Mitarbeiter eine Reise in ein Risikogebiet vornimmt, für das eine Reisewarnung besteht. In diesem Fall soll keine Erstattung auf Staatskosten erfolgen. Anders kann dies im Einzelfall sein, wenn ein „triftiger Grund“ – wie etwa berufliche oder familiäre Verpflichtung – die Reise wiederum rechtfertigen und die Vorwerfbarkeit ausschließen.
Lara-Christina Willems
Rechtsanwältin, Senior Associate
Abzuwarten bleibt, wie streng die Behörden dies in der aktuellen Situation prüfen werden.
Die Frage des Mitverschuldens ist nicht neu. Abzuwarten bleibt allerdings, wie streng die Behörden dies in der aktuellen Situation prüfen werden beziehungsweise prüfen können. Daher ist eine gesetzliche Regelung, die für Klarheit sorgt, in diesem Zusammenhang zu begrüßen.
Ist der Arbeitnehmer erkrankt und daher arbeitsunfähig, gilt vorrangig der Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers. In diesem Fall besteht kein Anspruch des Arbeitgebers gegenüber dem Staat aus dem Infektionsschutzgesetz.
Wenn es einem Arbeitnehmer möglich ist, seine Arbeitsleistung in Absprache mit dem Arbeitgeber während der Quarantäne von zuhause aus zu erbringen, so hat dies Vorrang. Hier greift das Infektionsschutzgesetz nicht.
Ob eine Homeoffice-Tätigkeit für die Zeit der Quarantäne möglich ist, muss der Arbeitgeber gegenüber der Behörde im Rahmen des Erstattungsverfahrens angeben.
Die geplante Änderung betrifft somit vor allem Angestellte, die nicht im Homeoffice arbeiten können. Daher werden zumindest sie in Zukunft Abstand von Reisen in Risikogebiete nehmen. Für alle Mitarbeiter hingegen, die auch im Homeoffice arbeiten können, ändert sich nichts. Diese werden nach einer Rückkehr aus dem Risikogebiet von zuhause aus arbeiten. In diesem Fall zahlt der Arbeitgeber den Lohn unverändert fort, Ansprüche nach dem Infektionsschutzgesetz kommen dann nicht in Frage.
Wenn sich Mitarbeiter melden, die aus Risikogebieten wiederkehren, ist Arbeitgebern zu raten, genau zu prüfen was zu tun ist. Entscheidende Fragen sind: Ist der Arbeitnehmer arbeitsfähig? Kommt eine Tätigkeit im Homeoffice in Frage?
Wenn die Betroffenen arbeitsfähig sind, das Homeoffice aber keine Option ist, muss geprüft werden, ob ein Anspruch auf Entschädigung nach dem Bundesinfektionsschutzgesetz besteht. Für diesen Fall sind die geplanten Änderungen unbedingt im Blick zu behalten; aber auch die bisherige Gesetzeslage kann zu einem Ausschluss des Anspruchs führen, wenn der Mitarbeiter wissentlich in ein Risikogebiet gefahren ist. Von einer vorschnellen Auslegung durch den Arbeitgeber ist aufgrund der aktuellen Entwicklungen abzuraten, da unklar ist, ob und unter welchen Voraussetzungen Arbeitgeber die Zahlungen nach dem Infektionsschutzgesetz erstattet bekommen.