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Keine einheitliche Rechtsprechung zu Corona-bedingter Mietminderung


Es gibt noch keine einheitliche Rechtsprechung zu der Frage, ob Corona-bedingte Betriebsschließungen eine Mietminderung rechtfertigen oder wann genau sie den Wegfall der Geschäftsgrundlage begründen. Für Mieter und Vermieter bedeutet das, dass einvernehmliche Lösungen umso wichtiger sind.

Die deutschen Gerichte beschäftigen sich seit Monaten mit der Frage, ob Corona-bedingte Betriebsschließungen eine Mietminderung rechtfertigen oder einen Wegfall der Geschäftsgrundlage darstellen, auf dessen Basis sich eine Anpassung des Mietvertrags einfordern ließe.

 

Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) hat angekündigt, eine Änderung des Mietrechts vorzunehmen, um Gewerbetreibende in der Corona-Krise zu unterstützen. Laut Handelsblatt will sie gesetzlich klarstellen, dass eine aus Gründen des Infektionsschutzes staatlich angeordnete Schließung regelmäßig eine Störung der Geschäftsgrundlage darstellt. So solle die Position von Gewerbemietern in Verhandlungen um eine Anpassung der Miete oder Pacht gestärkt werden. Auch wolle sie festlegen, dass Gerichte solche Verfahren beschleunigt behandeln müssen.

von Hermanni Katahrina

Katharina von Hermanni

Rechtsanwältin, Partner, Head of Real Estate, Germany

Die bisher ergangenen Urteile können sowohl Vermietern als auch Mietern helfen, Verhandlungspositionen zu untermauern.

Eine Anpassung des Mietvertrags, die sowohl den Interessen von Mietern als auch Vermietern Rechnung trägt, kann aber auch außergerichtlich erreicht werden, indem beide Parteien das Gespräch suchen und sich um eine einvernehmliche Lösung bemühen. Die bisher ergangenen Urteile bieten sowohl Vermietern als auch Mietern eine gute Gesprächsgrundlage und können helfen, Verhandlungspositionen zu untermauern.

Bisherige Rechtsprechung

Dass Landgericht (LG) München hat in einem kürzlich veröffentlichtem Urteil die Corona-bedingte Beschränkungen der Mietsache eines Einzelhandelsgeschäfts in der Münchner Innenstadt als Mietmangel anerkannt und hält eine Mietminderung von bis zu 80 Prozent – je nach Ausmaß der Beschränkungen –  für gerechtfertigt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, es wurde bereits vorm Oberlandesgericht Berufung eingelegt.

Damit kommt das LG München zu einem gänzlich anderen Schluss als andere Landgerichte, die mit vergleichbaren Fällen rund um die Corona-Krise betraut waren: Das LG Zweibrücken urteilte im September, dass die Gewerbemiete im verhandelten Fall aufgrund der Corona-bedingten Schließung der Geschäftsräume nicht gemindert werden könne und auch nach den Grundsätzen der gestörten Geschäftsgrundlage kein Anspruch auf Minderung oder Anpassung bestehe.

Das LG Frankfurt am Main kam in seinem Urteil vom 5. Oktober (Aktenzeichen 2-15 O 23/20) zu dem Schluss, die behördlich angeordnete Schließung eines Einzelhandelsgeschäftes im Zuge des Infektionsschutzes stelle keinen Mietmangel dar, eine Mietminderung sei nicht gerechtfertigt.

In dem durch das LG Frankfurt entschiedenen Fall hatte eine Bekleidungskette, die im Frühjahr wegen der Corona-Krise hatte schließen müssen, versucht, die staatlich angeordnete Maßnahme als Mietmangel geltend zu machen. Sie drängte zudem auf eine Anpassung des Mietvertrags, da die Krise zu einer Störung der Geschäftsgrundlage geführt habe.

Das LG Frankfurt stimmte dem nicht zu. Öffentlich-rechtliche Entscheidungen könnten nur dann einen Mietmangel darstellen, wenn sie ihre Ursache im Mietobjekt selbst haben. Das sei bei einer pandemiebedingten Schließung nicht der Fall. Auch von einer Störung der Geschäftsgrundlage, die eine Anpassung des Mietvertrags rechtfertigen könnte, ging das Gericht nicht aus.

Ein solcher Anpassungsanspruch besteht, wenn Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich nach Vertragsschluss schwerwiegend verändern und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten. Voraussetzung für den Anspruch ist zudem, dass dem anderen Vertragsteil – hier dem Mieter – ein Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Diese Unzumutbarkeit hatte die Bekleidungskette jedoch nicht ausreichend dargelegt.

So wie das LG Frankfurt, hat auch das LG Heidelberg bereits explizit zu erkennen gegeben, dass es Ansprüche der Mieter nicht per se ablehnen, sondern es hier auf den Einzelfall ankommen wird. Es hat in seinem Urteil vom 30. Juli (Aktenzeichen 5 O 66/20) festgestellt, dass die Corona-bedingte Schließungsanordnung eine schwerwiegende Störung der Geschäftsgrundlage des Mietverhältnisses darstellt.

Eine Anpassung des Mietvertrags zugunsten des Mieters wurde allerdings im konkreten Fall durch das LG Heidelberg verneint, mit der Begründung, dem Mieter sei ein unverändertes Festhalten an der vertraglich vereinbarten Mietzahlung zumutbar gewesen.

Im Gegenschluss bedeutet dies, dass ein Anspruch auf Anpassung des Mietvertrags durchaus dann in Betracht kommen kann, wenn dem einzelnen Mieter aufgrund seiner jeweiligen wirtschaftlichen Situation ein Festhalten an dem konkreten Mietvertrag nicht mehr zugemutet werden kann.

Folgen der widersprüchlichen Rechtsprechung

Es bleibt abzuwarten, ob sich andere Gerichte der neuen Rechtsprechung des LG München anschließen und in Betriebsschließungen einen Mietmangel sehen werden. Gänzlich ausgeschlossen ist das insbesondere dann nicht, wenn der Mieter bei Mietvertragsabschluss zum Beispiel auf bestimmte Besucherfrequenzen großen Wert gelegt hat.

Vor diesem Hintergrund bleibt die weitere Entwicklung der Rechtsprechung zu dieser Frage mit Spannung zu erwarten.

Schumacher Sibylle

Sibylle Schumacher

Rechtsanwältin, Partner, Co-head of Litigation, Regulatory & Tax

Mit einer endgültigen Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist frühestens in ein paar Jahren zu rechnen.

Für die Parteien von Gewerberaummietverträgen bietet sich die Gelegenheit, die rechtliche Unsicherheit mittels einvernehmlicher Regelungen zu beenden.  So könnte das Urteil des LG München eine Basis für außergerichtliche Regelungen zwischen den Parteien von Gewerberaummietverträgen schaffen, denn mit einer endgültigen Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu diesen Rechtsfragen ist frühestens in ein paar Jahren zu rechnen. Es steht daher im Interesse von Vermieter und Mietern, Unklarheiten auszuräumen und die Grundlage für eine langfristige Fortführung der Geschäftsbeziehung zu schaffen.

 

Eine einvernehmliche Lösung zwischen Mieter und Vermieter ist insbesondere dann wünschenswert, wenn der Mieter die Miete nachweislich nicht mehr in voller Höhe tragen kann und in seiner Existenz bedroht ist. Zum einen hätte er in diesem Fall ohnehin Aussichten darauf, einen Anspruch auf Anpassung des Mietvertrags vor Gericht durchzusetzen, zum anderen dürfte es in den meisten Fällen auch im Interesse des Vermieters sein, gerade in der aktuellen Wirtschaftslage die Insolvenz des Mieters abzuwenden und einen, wenn auch geringeren, so wenigstens noch konstanten Cashflow zu gewährleisten. Das ist nicht zuletzt auch deshalb ratsam, da es wegen der zweiten Welle der Pandemie und des neuerlichen Lockdowns schwerer als gewohnt sein dürfte, einen Nachmieter zu finden.

Kommt der Vermieter dem Mieter für die Zeit der Krise entgegen, kann er seine Ansprüche zugleich mit einem Besserungsschein absichern, für den Fall, dass Umsatzausfälle des Mieters zu einem späteren Zeitpunkt beispielsweise durch staatliche Hilfen oder Betriebsschließungsversicherungen ausgeglichen werden und die existentielle Not doch nicht so groß ist, wie ursprünglich angenommen. 

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