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Hotel-Sektor ‚steht Restrukturierungswelle bevor‘


Bund und Länder wollen das Beherbergungsverbot nicht kippen. Schon vor ihm rechneten Experten mit gravierenden Umwälzungen in der Hotelbranche, die nun noch beschleunigt werden könnten.

Die Ministerpräsidentenkonferenz hat gestern entschieden, das Beherbergungsverbot vorläufig nicht zu kippen. Es gilt derzeit in der Mehrzahl der deutschen Bundesländer und verbietet es Beherbergungsbetrieben, Reisende aus Risikogebieten aufzunehmen, sofern diese nicht ein negatives COVID-19-Testergebnis vorlegen können, das maximal 48 Stunden alt ist. In Baden-Württemberg und Niedersachsen haben Gerichte das Beherbergungsverbot heute vorläufig außer Vollzug gesetzt. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung kommentiert, die rechtliche Lage werde damit noch unübersichtlicher.

 

Laut tagesschau.de hat die Regelung bereits eine Stornierungsflut bei Hotels ausgelöst. Experten rechneten schon zuvor mit einer Insolvenzwelle in der Hotellerie, die durch die neuen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie nun noch beschleunigt werden könnte.

Bereits Mitte Juli wurde bekannt, dass das Fünf-Sterne-Hotel Sofitel Berlin Kurfürstendamm zahlungsunfähig war, Anfang Oktober wurde das vorläufige Insolvenzverfahren eröffnet. Ende September wurden außerdem die Schließungen des Grandhotel Hessischer Hof in Frankfurt und des Anna Hotel und Restaurant in München bekannt. In allen drei Fällen führen die Hotelbetreiber Medienberichten zufolge das Aus auf die Corona-Krise zurück.

Jörn Fingerhuth, Experte für Hospitality und Hotels bei Pinsent Masons, der Kanzlei hinter Out-Law, sieht darin den Auftakt einer Restrukturierungswelle im Hotelbetreibermarkt – teils ausgelöst, teils beschleunigt durch die Umsatzeinbußen, die die COVID-19-Pandemie mit sich gebracht hat. Der Branche stehe eine Reihe an Insolvenzen und Übernahmen bevor, so Fingerhuth: „Für solide aufgestellte, flexible Betreiber wird es gute Chancen zur Erweiterung des Portfolios geben, aber es werden auch Betreiber in die Insolvenz rutschen.“

Dem Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) zufolge trifft die Krise Hotels in den Großstädten besonders hart, da das Übernachtungsgeschäft rund um Messen, Kongresse, Tagungen sowie Kultur- und Sportveranstaltungen nach wie vor nicht wieder angelaufen ist. Anfang September gab die DEHOGA bekannt, dass 62 Prozent der gastgewerblichen Unternehmer in Deutschland um ihre Existenz bangen – das habe eine Umfrage ergeben. „Nach zehn Wachstumsjahren verzeichnet die Branche seit Anfang März Umsatzverluste historischen Ausmaßes“, so DEHOGA-Präsident Guido Zöllick.

Wie das Statistische Bundesamt vergangene Woche mitteilte, gab es im August, und somit noch vor dem Beherbergungsverbot, 14,2 Prozent weniger Übernachtungen in deutschen Hotels, Gasthöfen, Pensionen und Ferienunterkünften als noch im August 2019. Zudem konnten die deutschen Beherbergungsbetriebe im Zeitraum von Januar bis August lediglich 212,2 Millionen Übernachtungen verbuchen. Das sind 37,4 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. „Diese Zahlen verzerren das Bild der wesentlich heftigeren Auswirkungen auf die Deutsche Stadthotellerie, da durch Reisebeschränkungen im Ausland der Großteil des üblicherweise aus Deutschland fließenden Reisegeschäfts zur Freude der deutschen Ferienhotels im Inland verblieb“, so Sven Schulte-Hillen, Experte für Restrukturierungen bei Pinsent Masons.

Fingerhuth: „Man darf gespannt sein, was passiert, wenn die Krise größere Franchisenehmer der weltweit tätigen Ketten wie Marriott, Hilton oder Accor erwischt. Allgemein wird erwartet, dass die Ketten dann Step-In-Rechte ausüben und den Markt so stabilisieren. Ob das tatsächlich passiert, bleibt abzuwarten.“

Die sogenannten Step-In-Rights sind häufig Bestandteil von Franchise-Verträgen und erlauben es dem Franchisegeber in bestimmten Fällen – beispielsweise bei Insolvenz des Franchisenehmers – dessen laufende Verträge zu gleichen Konditionen zu übernehmen und somit den Betrieb fortzuführen.

Die DEHOGA führt die finanzielle Notlage zahlreicher Gastbetriebe vor allem darauf zurück, dass die Betreiber weiterhin mit hohen laufenden Kosten konfrontiert sind, obgleich die Gäste ausbleiben. Am gravierendsten wirken sich die Pachtverträge aus: Hier sei das Risiko nicht fair zwischen Verpächter und Pächter verteilt. Die DEHOGA fordert daher eine gesetzliche Klarstellung, die es Pächtern ermöglicht, die Pacht aufgrund der Folgen von COVID-19 zu mindern.

„Alle Betreiber verhandeln mittlerweile ‚Corona-Klauseln‘ in Ihre Miet-, Pacht-, Franchise- und Managementverträge, um zumindest für die Zukunft eine bessere Lastenverteilung zu erreichen“, so Fingerhuth. „Die Branche erhofft sich allerdings bereits in der gegenwärtigen Krise politische Unterstützung bei der Verteilung von Lasten, wie sie beispielsweise in Österreich, Italien oder Griechenland beschlossen wurden.“

Da eine solche Regelung bislang in Deutschland noch nicht in Sicht ist, sollten sich alle Stakeholder am Markt untereinander abstimmen, so Schulte-Hillen: „Selbstverständlich rücken im Bewusstsein der Krise Force-Majeure-Klauseln stärker in den Vordergrund und treten aus ihrem Schattendasein. Die Spieler im Markt werden künftig größeren Wert auf die Abgrenzung der Risikosphären legen. Aber auch in bestehende Strukturen wird man eingreifen müssen. Alle Stakeholder sollten sich in ihrer jeweiligen Reaktion auf die Krise abstimmen, will nicht ein jeder Gefangener seines Strebens nach individuellem Vorteil bleiben.“

Starres Festhalten an rechtlichen Positionen werde sich weder für finanzierende Banken noch für Eigentümer werterhaltend auswirken. Allerdings sollten auch die Hotel-Betreiber darauf vorbereitet sein, eine erhebliche Last zu tragen. „Insbesondere bei Verhandlungen über Pachtreduktionen und -verzichte wird ein Besserungsschein zu Gunsten der Eigentümer – etwa für den Fall einer Kompensation oder Teilkompensation der Umsatzausfälle durch den Staat oder Betriebsunterbrechungsversicherungen – ein unverzichtbares Eingeständnis der Betreiber darstellen“, so Schulte-Hillen. 

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