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Der Austritt Großbritanniens aus der EU wirkt sich auf grenzüberschreitende Rechtsstreitigkeiten aus. Das betrifft sowohl die Frage nach dem anzuwendenden Recht, als auch nach der Zuständigkeit von Gerichten sowie der Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen.

Der No-Deal-Brexit ist vermieden, so könnte man meinen, denn der Prozess des Austritts Großbritanniens aus der EU ist mit dem am 1. Januar 2021 in Kraft getretenem Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und Großbritannien abgeschlossen. Das ist aber nur zum Teil richtig, denn das Abkommen regelt – trotz seines Umfangs von mehreren tausend Seiten – eben nicht alle Bereiche.

Einer dieser ungeregelten Bereiche ist die justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen. Daher stellt sich die Frage, welche rechtlichen Konsequenzen sich seit dem Brexit speziell für den Rechtsverkehr im deutsch-britischen Verhältnis ergeben.

Unternehmen sollten wissen, was der Brexit für Vertragsklauseln, die das anzuwendende Recht und die zuständigen Gerichte festlegen, bedeutet. Gleiches gilt für die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen englischer oder schottischer Gerichte in Deutschland.

So lange es kein übergreifendes internationales Abkommen mit Großbritannien zu diesen Fragen gibt, sollten Unternehmen den bestehenden Rechtsrahmen kennen und berücksichtigen, wenn sie grenzüberschreitende Verträge mit Vertragspartnern aus Großbritannien abschließen oder wenn grenzüberschreitende Streitigkeiten mit solchen Parteien auftreten.

Verträge und Urteile in der Übergangsphase

Obwohl Großbritannien bereits seit 31. Januar 2020 nicht mehr Mitglied der Europäischen Union ist, galten die für den grenzüberschreitenden Zivilrechtsverkehr maßgeblichen Rege­lungen weiter. Das Austrittsabkommen vom 24. Januar 2020 sah eine Übergangszeit bis 31. Dezember 2020 unter anderem für den Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen vor.

Für Verträge, die bis zum Ende der Übergangszeit abgeschlossen worden sind, galten insbesondere die Regelungen der Rom I-Verordnung. Diese enthält unter anderem Bestimmungen, die Gerichte der EU-Mitgliedsstaaten im Allgemeinen dazu verpflichten, die vertragliche Rechtswahl der Parteien zu respektieren. Damit bestand Rechtssicherheit für die Parteien, dass sie bis 31. Dezember 2020 weiterhin das für ihr Vertragsverhältnis anzuwendende Recht selbst festlegen konnten.

Eine entsprechende Übergangsregelung sah das Austrittsabkommen auch für Urteile in Zivil- und Handelssachen vor. Wurden die jeweiligen Gerichtsverfahren vor dem Ende der Übergangszeit eingeleitet, so galten die Regelungen der Brüssel Ia-Verordnung weiter. Diese legt fest, wie die Zuständigkeiten der Gerichte der Mitgliedsstaaten bestimmt und Mehrfachverfahren in verschiedenen EU-Ländern vermieden werden. Im Allgemeinen gilt: Wenn die Parteien vereinbart haben, dass das Gericht eines bestimmten EU-Mitgliedsstaates zuständig sein soll, ist dieses Gericht zuständig. Sofern nicht anders vereinbart, ist diese Zuständigkeit ausschließlich, das heißt, kein anderes Gericht ist zuständig. Diese Regelungen der Verordnung galten daher ebenfalls bis 31. Dezember 2020 fort.

Harter Brexit in Zivil- und Handelssachen

Die Übergangszeit ist am 31. Dezember 2020 abgelaufen. Seitdem sehen wir uns im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen mit einem „harten“ Brexit konfrontiert, denn das Handels- und Kooperationsabkommen sieht keine Regelungen zur Fortgeltung des EU-Rechts im Verhältnis zu Großbritannien vor.

Dr. Attila Bangha-Szabo

Rechtsanwalt, Legal Director

Streitigkeiten über internationale Gerichtsstandsklauseln werden wahrscheinlich zunehmen. Insbesondere die Vollstreckung britischer Gerichtsentscheidungen in Deutschland wird deutlich komplexer.  

Anders liegt es in den Bereichen der internationalen Zuständigkeit der Gerichte sowie der Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsurteilen im deutsch-britischen Verhältnis. Hier sind die Auswirkungen des Brexit fundamental: Die Regelungen der Brüssel Ia-Verordnung gelten nicht mehr, weil die Verordnung nicht auf Drittstaaten wie Großbritannien anwendbar ist. Das zwischen der EU, Island, Norwegen und der Schweiz bestehende Luganer Übereinkommen vom 30. Oktober 2007 gilt ebenfalls nicht, so lange Großbritannien dem Übereinkommen nicht beitritt. Das Übereinkommen regelt ebenfalls die gerichtliche Zuständigkeit, die Anerkennung und Vollstreckungen von Entscheidungen im Zivil- und Handelsrecht und zielt darauf ab, Urteile von Gerichten der teilnehmenden Staaten weitgehend gleichzustellen.

Solange Großbritannien weder eine Einigung mit der EU erzielt, die der Brüssel Ia-Verordnung entspricht, noch dem Luganer Übereinkommen beitritt, besteht ein erhöhtes Risiko von Streitigkeiten darüber, welche Gerichte eines Landes für einen Fall zuständig sind und ob die Gerichtsurteile eines Landes in dem anderen Land anerkannt werden.

Soweit keine anderen Übereinkommen im Verhältnis zu Großbritannien in Kraft sind oder noch abgeschlossen werden, gelten für die Beurteilung der Zuständigkeit britischer Gerichte sowie für die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen britischer Gerichte in Deutschland die Regelungen der Zivilprozessordnung. Danach wird ein ausländisches Urteil in Deutschland nur vollstreckt, wenn es rechtskräftig ist und wenn ein deutsches Gericht  durch Urteil die Vollstreckbarkeit der ausländischen Gerichtsentscheidung feststellt. Das zeigt, dass die Vollstreckung britischer Gerichtsent­scheidungen in Deutschland fortan deutlich komplexer sein wird.

Ein Lichtblick: Haager Übereinkommen

Zum Schluss aber noch eine gute Nachricht: Großbritannien ist seit dem 1. Januar 2021 dem Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen vom 30. Juni 2005 (HGÜ) beigetreten. Das Übereinkommen ist daher seitdem im Verhältnis zwischen der Europäischen Union und Großbritannien in Kraft.

Nach den Bestimmungen dieses Übereinkommens werden Gerichtsstandsvereinbarungen in grenzüberschreitenden Fällen auf dem Gebiet des Wirtschaftsrechts weitgehend anerkannt, wenn die Parteien die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte eines Staates bestimmt haben. Entscheidungen von Gerichten, die aufgrund einer solchen Gerichtsstandsvereinbarung ergehen, werden in den Vertragsstaaten als vollstreckbar anerkannt; die Vollstreckbarerklärung eines solchen Urteils in Deutschland erfolgt nach einem vereinfachten Anerkennungsverfahren nach dem Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz (AVAG).

Die Ausnahme: Schiedsverfahren

Keine Änderung bewirkt der Brexit im Bereich der Anerkennung und der Vollstreckbarkeit von Schiedssprüchen. Für Großbritannien und Deutschland gelten die Regelungen des New Yorker Übereinkommens von 1958 auch nach dem Brexit weiter. Die unterzeichnenden Staaten sind danach verpflichtet, privatrechtliche Schiedsvereinbarungen anzuerkennen und im Ausland ergangene Schiedssprüche im Inland zu vollstrecken.

Übereinkommen zu Zivil- und Handelssachen

Die hier dargestellte Rechtslage gilt, bis die justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen zwischen der EU und Großbritannien in einem Übereinkommen wieder geregelt wird. Es ist zu hoffen, dass das Haager Gerichtsstandsübereinkommen nicht das einzige Übereinkommen auf diesem Gebiet zwischen Großbritannien und der EU bleibt; bis dahin werden die Regelungen des Haager Übereinkommens eine sehr hohe Bedeutung gewinnen.

 

Eine ausführliche Darstellung der Rechtslage nach dem Brexit aus Sicht des englischen Rechts finden Sie hier.

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