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Bundesjustizministerium will deutsches Schiedsverfahrensrecht modernisieren


Das Bundesjustizministerium will das deutsche Schiedsverfahrensrecht modernisieren und so Deutschland als Schiedsstandort für internationale Handelsstreitigkeiten stärken.

Die Modernisierung der Schiedsgerichtsbarkeit in Deutschland war in den letzten Jahren ein oft diskutiertes Thema. Vielfach wurden Reformen gefordert, um die Schiedsgerichtsbarkeit effizienter, kostengünstiger und für die Parteien attraktiver zu machen und Deutschland als modernen Schiedsstandort zu stärken. Als Reaktion auf diese Forderungen hat das Bundesjustizministerium der Justiz (BMJ) am 18. April 2023 ein Eckpunktepapier zur Modernisierung des deutschen Schiedsverfahrensrechts veröffentlicht. Mit den darin enthaltenen zwölf Eckpunkten sowie vier weiteren avisierten Themen wird die Grundlage für die Erarbeitung eines Reformgesetzes gelegt, die dem zuletzt vor 25 Jahren umfassend überarbeiteten deutschen Schiedsverfahrensrecht im 10. Buch der Zivilprozessordnung (ZPO) neues Leben einhauchen sollen.

Die vorgeschlagenen Änderungen umfassen verschiedene Maßnahmen, die das Schiedsverfahren schlanker, kostengünstiger und berechenbarer machen sollen.

Formfreiheit bei Schiedsvereinbarungen im Wirtschaftsverkehr

Die geplanten Änderungen des Paragraf 1031 Absatz 5 ZPO beziehen sich auf den Abschluss von Schiedsklauseln in Verträgen. Nach deutschem Recht unterliegt der Abschluss einer Schiedsklausel derzeit bestimmten formalen Anforderungen. Nach den geplanten Änderungen wäre eine Schiedsklausel dann gültig, wenn sie entweder in einem von den Parteien unterzeichneten Dokument oder in einem Brief-, Fax- oder E-Mail-Wechsel enthalten ist, der den Nachweis der Vereinbarung erbringt. Damit sollen Zweifel am Abschluss von Schiedsvereinbarungen auf elektronischem Wege beseitigt werden. Gleichzeitig soll im Wirtschaftsverkehr der vereinfachte mündliche Abschluss von Schiedsvereinbarungen möglich sein. Für Verbraucherschiedsvereinbarungen soll sich jedoch an dem derzeitig hohem Schutzniveau nichts ändern. Auf diesem Wege sollen mehr Klarheit und Sicherheit für Parteien geschaffen werden, um Streitigkeiten über die Gültigkeit oder Durchsetzbarkeit solcher Klauseln zu vermeiden. Dies kann den Parteien Zeit und Geld sparen und die Effizienz des Schiedsverfahrens erhöhen.

Englisch als Verfahrenssprache auch bei Übergang ins staatliche Verfahren

Laut dem Eckpunktepapier ist es geplant, dass bei Anträgen auf Vollstreckbarerklärung oder Aufhebung von Schiedssprüchen der Schiedsspruch und die Schriftstücke aus dem Schiedsverfahren, die für das jeweilige gerichtliche Verfahren von Bedeutung sind, auch in englischer Sprache vorgelegt werden können. Auch Schriftstücke aus dem Schiedsverfahren, die für eine gerichtliche Beweisaufnahme oder für die Vornahme von sonstigen richterlichen Handlungen nach Paragraf 1050 ZPO von Bedeutung sind, sollen in englischer Sprache vorgelegt werden können. Dies dient der effizienteren Verfahrensführung und erspart den Parteien die Kosten für aufwendige Übersetzungen, wenn das Gericht für diese keinen Bedarf sieht.

Dies passt zu den Bestrebungen des BMJ, die Verwendung der englischen Sprache in Verfahren vor deutschen staatlichen Gerichten mehr zuzulassen. Erst im Januar 2023 hatte Justizminister Marco Buschmann in diesem Zusammenhang ein weiteres Eckpunktepapier vorgestellt, das vorsieht, deutsche Gerichte für Verhandlungen in internationalen Wirtschaftsstreitigkeiten fit zu machen und neue ‚Commercial Courts‘ einzuführen.

Verbesserung der Transparenz durch die Veröffentlichung von Schiedssprüchen

Es ist geplant, die Veröffentlichung von Schiedssprüchen auch gesetzlich zu gestatten, wenn die Parteien sich hiermit einverstanden erklären. Die Veröffentlichung von Schiedssprüchen würde sich auf Fälle beschränken, die wichtige Rechtsfragen behandeln oder von erheblichem öffentlichem Interesse sind und der Transparenz und Rechtsfortbildung dienen.

Verbesserung der Vollstreckbarkeit von Schiedssprüchen

Eine der wichtigsten vorgeschlagenen Änderungen betrifft die Vereinfachung und Straffung der Vollstreckung von Schiedssprüchen. Das derzeitige Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren gestaltet sich häufig zeitaufwändig und kostenintensiv. Eine Vereinfachung des Verfahrens würde den Zeit- und Kostenaufwand für die Vollstreckung von Schiedssprüchen erheblich verringern. Darüber hinaus würde dies den Parteien auch mehr Sicherheit und Vorhersehbarkeit in Bezug auf die Vollstreckbarkeit von Schiedssprüchen geben, was die Attraktivität der Schiedsgerichtsbarkeit als Methode der Streitbeilegung erhöhen würde. Hier bleibt jedoch sicherzustellen, dass das Schiedsverfahren fair, transparent und unparteiisch bleibt und dass die Parteien im Falle von Verfahrensfehlern oder anderen Problemen weiterhin Zugang zu wirksamen Rechtsmitteln haben. Auch hier sind Änderungen für eine bessere Verzahnung von Vollstreckungs- und Aufhebungsverfahren geplant.

Digitalisierung des Verfahrens

Die Digitalisierung des Verfahrens soll insbesondere durch den Einsatz elektronischer Kommunikation und digitaler Technologie erreicht werden. Konkret wird dabei vorgeschlagen, dass Schiedsverfahren vollständig elektronisch abgewickelt werden können, einschließlich der Einreichung von Beweismitteln und Dokumenten sowie der Durchführung von Anhörungen und dem Erlass von Schiedssprüchen. Datenschutzrechtlichen Bedenken beziehungsweise Risiken von Cyberangriffen kann beispielsweise durch Bestimmungen zur Gewährleistung der Sicherheit und Vertraulichkeit elektronischer Dokumente sowie Leitlinien für den Einsatz digitaler Technologien in Schiedsverfahren Rechnung getragen werden. Durch den Einsatz digitaler Technologie kann die deutsche Schiedsgerichtsbarkeit effizienter, zugänglicher und sicherer werden, ohne dass die grundlegenden Prinzipien der Fairness und des ordnungsgemäßen Verfahrens beeinträchtigt werden.

Einführung eines Eilschiedsrichters

Eine weitere vorgeschlagene Maßnahme zur Verbesserung der Effizienz ist die geplante Prüfung hinsichtlich der Einführung von Eilschiedsrichterbestimmungen. Dies würde es den Parteien ermöglichen, vor der Konstituierung des Schiedsgerichts einen Schiedsrichter um einstweilige Maßnahmen wie einstweilige Verfügungen und Sicherungsverfügungen zu ersuchen, um ihre Rechte und Interessen in der frühestmöglichen Phase des Schiedsverfahrens zu schützen.

Nach dem derzeitigen System müssen die Parteien warten, bis das Schiedsgericht gebildet ist, bevor sie einstweiligen Rechtsschutz beantragen können. Dies kann zu erheblichen Verzögerungen führen, insbesondere in dringenden Fällen, in denen ein sofortiges Handeln zum Schutz der Interessen einer Partei erforderlich ist. Manche institutionelle Schiedsordnungen kennen den sogenannten ermergency arbitrator bereits. Die Bestellung eines Eilschiedsrichters ist dabei an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, unter anderem an das Erfordernis, dass die Parteien der Eilschiedsrichterregelung in ihrer Schiedsvereinbarung oder in einer gesonderten Vereinbarung zugestimmt haben. Das Ernennungsverfahren unterliegt außerdem bestimmten Fristen, um sicherzustellen, dass es das Schiedsverfahren nicht unangemessen verzögert.

Umsetzung noch offen

Die Modernisierung des deutschen Schiedsverfahrensrechts soll die Flexibilität und Effizienz des gesetzlich vorgesehenen Schiedsverfahrens erhöhen und es zu einer attraktiveren Option für die Beilegung von Streitigkeiten machen. Durch gestraffte Verfahren, die Möglichkeit virtueller Anhörungen und die Einführung von Eilschiedsrichterregelungen sollen die Parteien mehr Kontrolle über das Verfahren haben, was zu schnelleren und kostengünstigeren Ergebnissen führen kann. Es bleibt daher mit Spannung zu erwarten, welche der vorgeschlagenen Eckpunkte sowie der weiteren noch zu prüfenden Vorhaben es in den Referentenentwurf schaffen werden.

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