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BMJ will ‘Commercial Courts’ einführen und Verfahren auf Englisch ermöglichen


Das Bundesjustizministerium will deutsche Gerichte für Verhandlungen in internationalen Wirtschaftsstreitigkeiten fit machen und neue ‚Commercial Courts‘ einführen.

Bundesjustizminister Marco Buschmann will den „Justizstandort Deutschland“ international stärken und hat im Januar 2023 hierzu ein Eckpunktepapier (3-seitiges PDF/78 KB) veröffentlicht. Ziel ist es, den Bundesländern die Einrichtung von Wirtschaftssenaten (Commercial Courts) bei ausgewählten Oberlandesgerichten zu ermöglichen. Die Commercial Courts sollen für Fälle mit Streitwerten ab einer bestimmten Höhe zur Verfügung stehen und die Verfahren zügig durchführen, auf Wunsch auch auf Englisch und mit Wortprotokoll. Das Eckpunktepapier schlägt als Streitwert-Schwelle eine Millionen Euro vor. Ab diesem Betrag sollen die Parteien eine Verhandlung vor den Landgerichten „überspringen“ dürfen.

In Zeiten von globalen Lieferketten und internationalem Warenverkehr komme es immer häufiger auch zu grenzüberschreitenden Rechtsstreitigkeiten, die auf eine schnelle und professionelle Klärung angewiesen seien, so Buschmann. Die Commercial Courts sollen erstinstanzlich zuständig sein, wenn sich die Parteien auf diesen Gerichtsstand einigen. Im Fall einer Revision soll der Bundesgerichtshof zuständig sein. Auch hier soll es möglich sein, das Verfahren vollständig auf Englisch zu führen.

Außerdem sollen die Bundesländer die Möglichkeit erhalten, dafür zu sorgen, dass bestimmte Handelsstreitigkeiten auch an ausgewählten Landgerichten in englischer Sprache geführt werden können, sofern sich die Parteien darauf einigen und es einen „sachlichen Grund“ für die Wahl dieser Sprache gibt. Auch sollen Kooperationen zwischen den Bundesländern für gemeinsame englischsprachige Kammern möglich sein.

„Ob der Gerichtsstandort Deutschland bei Umsetzung der Reformbestrebungen tatsächlich an Attraktivität gewinnt, bleibt abzuwarten“, so Lisa Oettig, Expertin für  Gerichts- und Schiedsverfahren  bei Pinsent Masons. „Die Möglichkeit, große wirtschaftsrechtliche Verfahren komplett in englischer Sprache zu führen, hat jedoch eine uneingeschränkt positive Signalwirkung für Deutschland als Wirtschaftsstandort“.

Darüber hinaus sieht das Eckpunktepapier vor, dass Geschäftsgeheimnisse bei Verfahren zu handelsrechtlichen Streitigkeiten künftig besser geschützt werden sollen. „Dazu sollen die Verfahrensregelungen nach dem Geschäftsgeheimnisschutzgesetz auf den gesamten Zivilprozess ausgeweitet werden“, heißt es in dem Papier. Derzeit ist es zwar möglich, die Öffentlichkeit für einen Teil der Verhandlung auszuschließen, um Geschäftsgeheimnisse zu schützen. Künftig sollen Geschäftsgeheimnisse aber schon früher geschützt werden, nämlich bereits ab Erhebung der Klage. 

Bislang ist es ausgeschlossen, wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten vor deutschen Gerichten vollständig in englischer Sprache zu führen. Zwar kann auf den Dolmetscher verzichtet werden, wenn alle Beteiligten auf Englisch verhandeln wollen, die Klageschrift muss aber stets in deutscher Sprache eingereicht werden, ebenso wie sämtliche Urkunden. Auch die Entscheidungen der Gerichte ergehen stets auf Deutsch. Aufgrund dieser Hemmnisse werden Fälle zu großen Wirtschaftsstreitigkeiten meist im Ausland verhandelt oder vor privaten Schiedsgerichten.

„Mit den Kammern für Handelssachen, kurz KfH, bestehen bereits auf Handelssachen spezialisierte Spruchkörper bei deutschen Landgerichten – offenbar geht diese rein fachliche Spezialisierung aber nicht weit genug, wie die stark rückläufigen Fallzahlen bei den Kammern für Handelssachen zeigen“, so Johanna Weißbach, ebenfalls Expertin für Gerichts- und Schiedsverfahren bei Pinsent Masons.

Laut Prof. Dr. Thomas Riehm von der Universität Passau lässt sich der Attraktivitätsverlust deutscher Gerichte in Handelsstreitigkeiten sogar in Zahlen messen: In seinem 2022 erschienen Aufsatz „Deutschlands ‚Commercial Courts‘ auf dem Prüfstand“ schreibt er unter anderem, dass die Zahl der erledigten Fälle bei den Kammern für Handelssachen von 40.468 erledigten Fällen im Jahr 2010 auf 22.502 im Jahr 2020 gesunken sei. Es handelt sich also um einen Rückgang von rund 44 Prozent binnen zehn Jahren.

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