Vom Lockdown betroffene Unternehmen versuchen, eine Anpassung ihrer Gewerbemieten zu erwirken, die Rechtslage ist diffus. Vermieter von fremdfinanzierten Objekten sollten ihren Darlehensvertrag genau prüfen und gegebenenfalls das Gespräch mit ihrer Bank suchen, bevor sie die Miete reduzieren oder eine Reduzierung akzeptieren.
Seit Pandemiebeginn versuchen zahlreiche Betriebe, die Gewerbeimmobilien gemietet haben und auf behördliche Anordnung geschlossen wurden, eine Anpassung ihrer Miete zu erwirken oder nehmen eigenmächtig Mietkürzungen vor, mit der Begründung, dass sie die Räume nicht für den vorgesehenen Zweck nutzen können.
Anfang des Jahres hat zudem der Gesetzgeber mit einer Gesetzesänderung klargestellt, dass die Corona-Pandemie als ein Fall der Störung der Geschäftsgrundlage anzusehen ist. Dennoch ist die Rechtslage nach wie vor uneinheitlich und unsicher: Bei Störung der Geschäftsgrundlage kann zwar eine Anpassung des Gewerbemietvertrags verlangt werden, jedoch nur, wenn einer Vertragspartei das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Ob einer Partei das Festhalten an der ursprünglich vereinbarten Miete zugemutet werden kann, hängt jedoch vom Einzelfall ab und beschäftigt derzeit die Gerichte.
Eine Entscheidung durch den Bundesgerichtshof, die klarstellen könnte, nach welchen Kriterien genau zu entscheiden ist, wann ein Festhalten an der vereinbarten Miete zumutbar ist und wann nicht, steht noch aus. Dementsprechend sind bereits diverse Urteile von Oberlandesgerichten ergangen, die teils sehr unterschiedliche Aspekte für die Interessenabwägung zwischen Mieter und Vermieter anführen.
So kam das Oberlandesgericht Dresden in seinem Urteil vom 24. Februar zu dem Schluss, dass im Fall eines während des ersten Lockdowns vorübergehend geschlossenen Ladengeschäfts die Kaltmiete um 50 Prozent zu reduzieren sei. Da keine der Parteien eine Ursache für die Störung der Geschäftsgrundlage durch die Pandemie gesetzt oder sie vorhergesehen hatte, sei es angemessen, die damit verbundene Belastung gleichmäßig auf beide Parteien zu verteilen.
Andere Oberlandesgerichte entschieden, dass Mieter zuerst ihre finanziellen Reserven aufbrauchen müssen, bevor eine Reduzierung der Miete eingefordert werden könne, oder dass es für Mieter notwendig sei, ihre Finanzen offenzulegen, um so nachzuweisen, dass es ihnen nicht zugemutet werden kann, an der vereinbarten Miete festzuhalten.
Da die Rechtslage nach wie vor unklar ist und das Prozessrisiko primär beim Vermieter liegt, waren Vermieter in der Vergangenheit bereit, Mieten beispielsweise zu stunden und am Ende des Geschäftsjahres über eine angemessene Mietreduzierung zu entscheiden. Mit länger werdenden Lockdown-Zeiträumen steigen nun jedoch auch die Einnahmenausfälle auf Vermieterseite. Dementsprechend zeigen Vermieter aktuell weniger Bereitschaft, Mieten zu stunden, zumal es auch diverse staatliche Hilfsangebote für betroffene Mieter gibt und diese zudem gefordert sind, alternative Lösungen zu finden, um Umsatzeinbußen bestmöglich auszugleichen – beispielsweise durch neue Geschäftsmodelle wie den Online-Handel oder Take-Away-Food.
Zugleich sind Geschäftsführer großer Ketten, die Laden- oder Gastronomieflächen gemietet haben, dazu verpflichtet, sorgfältig im Interesse des Unternehmens dessen Rechte zu wahren und bestmöglich die Liquidität zu sichern. Viele große Mieterunternehmen haben daher nach der Klarstellung, dass die Pandemie eine Störung der Geschäftsgrundlage ist, die Miete unter Vorbehalt einseitig um 50 Prozent reduziert.
Doch auch Geschäftsführer großer Vermieterunternehmen sind verpflichtet, im Interesse ihrer Anleger und des Unternehmens zu handeln und deren Rechte zu wahren. Sie dürfen ihre Mietansprüche nicht aufgeben, wenn es dafür keine Rechtsgrundlage gibt. Ein Vermieter kann jedoch in seiner unternehmerischen Entscheidung Prozessrisiken, mögliche Prozesskosten sowie Kosten für Leerstand und Neuvermietung einbeziehen und damit im Einzelfall auch eine Mietreduzierung rechtfertigen. Es gibt allerdings zahlreiche Mietobjekte, die neu und profitabler vermietet werden können, sodass Vermieter unter Umständen Interesse an einer Kündigung haben könnten. Die Lage am Markt ist hier uneinheitlich, Faktoren wie Lage und Branche spielen eine große Rolle.
In jedem Fall müssen Vermieter einseitige Mietreduzierungen nicht akzeptieren. Häufig kommen auch Vergleichslösungen in Betracht. Es kann aber grundsätzlich erwartet werden, dass Mieter Ihre Finanzen offenlegen, wenn es darum geht, eine Mietminderung zu verhandeln.
Ob ein Vermieter dazu bereit ist, die Miete anzupassen, hängt oftmals auch davon ab, ob das Mietobjekt fremdfinanziert ist und er regelmäßige Zahlungen an Darlehensgeber oder Banken leisten muss. Werden Mieten überhaupt nicht oder nur teilweise gezahlt, wirkt sich das häufig auf den Darlehensvertrag aus. Dies gilt es rechtzeitig zu erkennen, denn ist dies der Fall, ist es wichtig, frühzeitig das Gespräch mit den Darlehensgebern zu suchen.
Während Mieter COVID-19-bedingte Mietschulden der Monate April 2020 bis Juni 2020 durch ein entsprechendes Gesetz stunden konnten, gibt es keine analoge gesetzliche Regelung, aufgrund derer gewerbliche Vermieter als Darlehensnehmer Zahlungen an die Bank vorübergehend aussetzen und später zahlen könnten.
Wenn Mietzahlungen ganz oder teilweise ausbleiben, ist der Darlehensnehmer in aller Regel dazu verpflichtet, die Bank frühzeitig darüber zu informieren. Darauf sollten betroffene Vermieter von fremdfinanzierten Objekten achten.
Wird ein bestehender Mietvertrag geändert oder vermieterseitig gekündigt, kann insbesondere bei Ankermietern die Zustimmung der Bank hierzu erforderlich sein. Ebenso können Darlehensverträge vorsehen, dass bestimmte Rechte gegenüber nichtzahlenden Mietern ausgeübt werden müssen oder der Vermieter besondere Anstrengungen unternehmen muss, um Mieter für leerstehende Flächen zu finden.
Sofern ein Darlehensvertrag Finanzkennzahlen enthält – wie bei gewerblichen Immobilienfinanzierungen üblich – können diese unter Umständen nicht mehr eingehalten werden. Hier sind besonders die Zinsdienstdeckungsquote (ICR), die Schuldendienstdeckungsquote (DSCR) und die Fremdkapitalbedienungsfähigkeit (Debt Yield) relevant, die jeweils auf den Ertrag der Immobilie abstellen. Ein Verstoß gegen die Verpflichtung, bestimmte Finanzkennzahlen einzuhalten, kann beispielsweise einen sogenannten Cash Sweep zur Folge haben, bei dem Liquidität als Sondertilgung an den Darlehensgeber fließt. Es kann auch zu sonstigen Sondertilgungen, Zinserhöhungen oder sogar der Kündigung des Darlehensvertrages durch die Bank kommen.
Um das zu vermeiden, sollten Darlehensnehmer, die von Mieteinbußen betroffen sind, Stundungsvereinbarungen, Laufzeitverlängerungen, Anpassungen der Finanzkennzahlen und – gerade wenn Kündigungsrechte im Raum stehen – Verzichtserklärungen (Waiver) in Betracht ziehen und mit ihrer Bank verhandeln.
Üblicherweise denken sowohl Darlehensnehmer als auch Darlehensgeber im Rahmen ihrer Geschäftsbeziehung langfristig und sind grundsätzlich an ausgewogenen, kooperativen Lösungen interessiert, die den Interessen beider Seiten gerecht werden. In jedem Fall sollten getroffene Vereinbarungen im Interesse aller Beteiligten sorgfältig dokumentiert werden.
Out-Law News
02 Nov 2020