Out-Law News Lesedauer: 4 Min.
31 Mar 2022, 10:08 am
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat entschieden, dass dem Einbau und Betrieb von Funk-Wasserzählern durch kommunale Wasserversorger „weder datenschutzrechtliche Hindernisse noch Gründe des Gesundheitsschutzes entgegenstehen.“ Das bedeutet, dass Haus- und Wohnungseigentümer hinnehmen müssen, wenn ihr Wasserversorger in ihrem Haus einen Funkwasserzähler einbaut. Auch müssen sie den Mitarbeitern des Wasserversorgers zu diesem Zweck Zutritt zum Gebäude gewähren.
Dr. Marc Salevic, Experte für Energierecht und kommunale Infrastruktur bei Pinsent Masons, geht davon aus, dass das Urteil für zahlreiche Wasser- und Energieversorger in Deutschland von Bedeutung sein wird: „Das Urteil ist ein wichtiger Schritt in Richtung Digitalisierung des Messwesens, dem sogenannten ‚Smart Metering‘, im Bereich der Daseinsvorsorge. Die Auslesung per Funk verringert den Verwaltungsaufwand für eine Erfassung und Abrechnung der Verbrauchsdaten gegenüber analogen Wasserzählern erheblich. Dies führt zu deutlich mehr Flexibilität der Versorger.“
Der VGH-Beschluss bezieht sich auf den Fall eines Ehepaares aus dem Landkreis Bamberg, das einem Mitarbeiter seines Wasserversorgers wiederholt den Zutritt verweigerte. Bei dem Wasserversorger handelt es sich um einen kommunalen Zweckverband, der eine öffentliche Wasserversorgungseinrichtung betreibt. Dieser hatte seine Kunden Anfang Februar 2021 in einem Rundschreiben darauf hingewiesen, dass er im Rahmen des turnusmäßigen Austauschs elektronische Wasserzähler mit Funkmodul einbauen wolle. In dem Schreiben stand auch, dass der Fernauslese-Funktion innerhalb einer Frist von zwei Wochen widersprochen werden könne, sofern der Wasserzähler nur eine Wohneinheit versorgt.
Das Ehepaar wollte den Einbau des Funk-Wasserzählers in ihrem Haus, das über zwei Wohnungen verfügt und von mehreren Generationen derselben Familie bewohnt wird, verhindern. Die Eigentümer beider Wohnungen erklärten im April 2021, dass sie mit dem Einbau und der Inbetriebnahme eines elektronischen Wasserzählers mit Fernauslesung nicht einverstanden seien und verweigerten einem Mitarbeiter des Wasserversorgers den Zugang. Das Ehepaar erhob außerdem ausdrücklich Widerspruch nach Artikel 21 Absatz 1 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Aus dem Beschluss des VGH geht hervor, dass das Ehepaar „Bedenken gegen die datenschutzrechtliche Konformität und die Verhältnismäßigkeit des Einbaus der Geräte“ äußerte.
Bei einem erneuten Termin im Juni 2021 verweigerte das Ehepaar dem Mitarbeiter abermals den Zugang, obwohl der Wasserversorger den Eheleuten mitgeteilt hatte, dass sie den Austausch dulden und Zutritt zum Haus gewähren müssten. Dies begründete er unter anderem damit, dass die Eichzeit des Wasserzählers Ende 2020 abgelaufen sei, so dass er nun dringend ausgetauscht werden müsse, da andernfalls auch die Verbrauchsabrechnung rechtswidrig sei. Die Art des neuen Wasserzählers könne der Wasserversorgers bestimmen, mechanische Wasserzähler würden seit Anfang 2021 nicht mehr eingebaut. Für ein Widerspruchsrecht fehle es an den gesetzlichen Voraussetzungen.
Das Ehepaar reichte beim Verwaltungsgericht Bayreuth mit Eilantrag Klage gegen diesen Bescheid des Wasserversorgers ein und versuchte zu erreichen, dass statt des Funk-Wasserzählers ein analoger Wasserzähler eingebaut wird, mit der Begründung, dass dieser den Zweck der Wasserverbrauchsabrechnung genauso erfüllen könne wie ein Funk-Wasserszähler. Zudem verfüge der Funk-Wasserzähler, der eingebaut werden soll, über keine Zertifizierung durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik.
Der Funk-Zähler erhebe zudem mehr Daten, als zum ordnungsgemäßen Betrieb der Wasserversorgung nötig sei. Auch bestünden gesundheitliche Bedenken gegen den Einbau, da die gepulste Strahlung des Zählers auch die Wohnräume erreichen könne. Darüber hinaus verwies das Ehepaar erneut auf seine datenschutzrechtlichen Bedenken: Da in den zwei Wohnungen ihres Hauses ausschließlich Familienmitglieder lebten, sei eine hinreichende Anonymisierung der erhobenen Daten nicht möglich.
Das Verwaltungsgericht Bayreuth lehnte den Antrag des Ehepaars am 4. August 2021 ab, unter anderem mit der Begründung, dass den von dem einzubauenden Wasserzähler erhobenen Daten der Bezug zu einer identifizierbaren natürlichen Person fehle. Schließlich werde er – wie auch der aktuell eingebaute Wasserzähler – für beide Wohnungen des Hauses verwendet und erfasse somit die Verbrauchsdaten von insgesamt sechs Familienmitgliedern. Wegen der geringen Signalstärke des Funk-Wasserzählers von zehn Milliwatt und der geringen Sendedauer von 0,01 Sekunden sei auch eine Verletzung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit nicht ersichtlich.
Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bayreuth legte das Ehepaar Beschwerde vor dem VGH Bayern ein. Dieser entschied mit Beschluss vom 7. März: „Dem Einbau und Betrieb fernauslesbarer Wasserzähler mit aktivierter Funkfunktion durch kommunale Wasserversorger stehen weder datenschutzrechtliche Hindernisse noch Gründe des Gesundheitsschutzes entgegen.“ Das Ehepaar müsse dem Mitarbeiter des Wasserversorger aufgrund der Satzung des Wasserversorgers Zutritt zum Haus gewähren. Die Satzung stimme mit der amtlichen Mustersatzung überein und beruhe auf den Regelungen der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern.
Auch stehe es dem Wasserversorger frei, Wasserzähler mit oder ohne Funkoption einzubauen. Diese Möglichkeit eröffne ebenfalls ein Paragraf der Satzung. Hierzu sei in die Gemeindeordnung eigens in Artikel 24 Absatz 4 Satz 1 eine spezielle Satzungsermächtigung aufgenommen worden, um für die damit verbundenen Grundrechtseingriffe eine gesetzliche Grundlage zu schaffen.
„Der hiernach vom Gesetzgeber nur unter engen Voraussetzungen zugelassene Einsatz von elektronischen Wasserzählern mit Funkfunktion verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Im fortlaufenden Betrieb solcher Messgeräte liegt weder ein unzulässiger Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung noch ergeben sich daraus nach derzeitigem Erkenntnisstand Gesundheitsgefahren für die Bewohner“, heißt es im Beschluss des VGH.
Bei den erfassten Verbrauchsdaten könne es sich in bestimmten Fällen zwar auch um personenbezogene Daten handeln. Die Erhebung dieser Daten sei jedoch – auch ohne Zustimmung der Personen, zu denen die Daten gehören – zulässig, da dies der Wahrnehmung einer „im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe“ diene und damit „einen legitimen Zweck“ verfolge. Schließlich sei die Versorgung mit Trinkwasser und die Messung des Verbrauchs eine Pflichtaufgabe der Gemeinden, die zur allgemeinen Daseinsvorsorge gehöre.
„Häufig sehen sich Energie- und Wasserversorger Fragen und Beschwerden von Kunden im Hinblick auf den Datenschutz dieser digitalen Messgeräte ausgesetzt“, so Rebecca Trampe-Berger, Experte für Energierecht und kommunale Infrastruktur bei Pinsent Masons. Es sei nicht ungewöhnlich, dass der von den Versorgern lange im Voraus geplanten Roll-out der Messgeräte im Versorgungsgebiet durch entsprechende Beschwerden von Kunden oder Widersprüche gegen den Einbau verzögert wird und so erheblicher Mehraufwand entsteht.
„Den datenschutzrechtlichen Bedenken der Kunden ist der VGH Bayern mit seinem Beschluss nun begegnet. Die Erfassung der Verbrauchsdaten, auch wenn diese personenbezogene Daten darstellen, ist danach erforderlich, da die Wasserversorgung als Aufgabe der allgemeine Daseinsvorsorge zählt“, so Trampe-Berger. „Somit ist dieser Beschluss nicht nur für Wasserversorger, sondern auch für andere Energieversorger aus den Branchen Strom und Gas, die auch zur allgemeinen Daseinsvorsorge zählen, wegweisend. Auch diese Branchen haben somit ein Stück Rechtsicherheit in Bezug auf die datenschutzrechtlichen Fragen bei elektronischen Funkmessgeräten erlangt.“