Mit Verspätung will die Bundesregierung die Anti-Steuervermeidungsrichtlinie der EU umsetzen. Ein entsprechender Gesetzesentwurf wurde gestern vom Bundeskabinett beschlossen.
Das Bundeskabinett hat gestern den Regierungsentwurf für ein Gesetz zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATADUmsG) beschlossen.
Mit dem neuen Gesetz sollen die Vorgaben der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD) der EU in deutsches Recht umgesetzt werden. Die neuen Regeln sollen Gestaltungsinstrumente multinationaler Unternehmen, durch die diese Steuern vermeiden, einschränken und das Unternehmenssteuerrecht in der EU harmonisieren.
„Eine gerechte Gesellschaft gibt es nur mit einem gerechten Steuersystem“, so Bundesfinanzminister Olaf Scholz. Mit dem geplanten Gesetz stelle man sich aggressiver Steuergestaltung und Gewinnverlagerung entgegen und stopfe Steuerschlupflöcher. „Es muss Schluss damit sein, dass sich große Konzerne um die Steuerpflicht herumdrücken. Jeder muss einen fairen Beitrag leisten.“
Die Richtlinie enthält ein Paket von Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuervermeidung, die von allen Mitgliedstaaten gegen gängige Formen von aggressiver Steuerplanung angewendet werden müssen. Die Frist zur Umsetzung in nationales Recht ist bereits verstrichen – Stichtag war der 1. Januar 2020.
„Viel hat sich seit den ersten Entwürfen nicht getan, daher ist die Verzögerung der Umsetzung wohl im Wesentlichen auf durch Corona veränderte Prioritäten zurückzuführen“, so Werner Geißelmeier, Experte für Steuerrecht bei Pinsent Masons, der Kanzlei hinter Out-Law. „Entgegen der ursprünglichen Andeutung in der Gesetzesbegründung wurde der ‚Niedrigsteuersatz‘ von 25 Prozent nicht nach unten angepasst – er liegt damit höher als die Summe aus Körperschaftsteuer und Mindestgewerbesteuer in Deutschland.“
Deutschland erfülle in vielen Bereichen bereits heute weitgehend die durch die ATAD vorgegebenen Standards, teilte das Bundesfinanzministerium mit. Der Entwurf konzentriert sich auf zwingende Regelungen der EU-Richtlinie, er enthält neue Vorschriften zur Entstrickungs- und Wegzugsbesteuerung, zu hybriden Gestaltungen und zur Hinzurechnungsbesteuerung.
Sogenannte „hybride Gestaltungen“ werden laut der EU häufig von multinationalen Gesellschaften oder anderen Unternehmen genutzt und ermöglichen es ihnen, die Unterschiede zwischen zwei oder mehr Ländern bei der steuerlichen Behandlung von Finanzinstrumenten, Organisationen oder Übertragungen auszunutzen, um so die Gesamtsteuerschuld zu verringern.
Das geplante Gesetz enthält daher Regelungen, mit denen „Besteuerungsinkongruenzen im Zusammenhang mit hybriden Gestaltungen“ beseitigt werden sollen. Sie sollen laut Bundesfinanzministerium verhindern, „dass Betriebsausgaben mehrfach berücksichtigt werden oder dass Betriebsausgaben berücksichtigt werden, obwohl die entsprechenden Einnahmen keiner Besteuerung unterliegen.“
„Im Hinblick auf die erhöhten Mitwirkungs- und Nachweispflichten bei Auslandsbeziehungen kann nur dringend empfohlen werden, Nachweise für die steuerliche Behandlung der Auslandszahlungen zu sichern, um langwierigen Auseinandersetzungen insbesondere im Rahmen von Betriebsprüfungen vorzubeugen“, sagt Geißelmeier.
Durch Anpassungen bei der Hinzurechnungsbesteuerung soll laut Bundesfinanzministerium zudem die niedrige Besteuerung von Einkünfte grenzüberschreitend agierender Unternehmen bekämpft werden. „Insbesondere wird das Beherrschungskriterium angepasst. Statt auf eine Inländerbeherrschung abzustellen, wird künftig eine gesellschafterbezogene Betrachtung des Beherrschungskriteriums durchgeführt. Außerdem findet bei mehrstufigen Gesellschaftsstrukturen im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung keine Verlustkonsolidierung auf Ebene der obersten ausländischen Gesellschaft mehr statt“, so das Bundesfinanzministerium.
Geißelmeier: „Es ist den betroffenen Steuerpflichtigen dringend zu empfehlen, ihre gesamten Konzernstrukturen daraufhin durchzusehen, ob der geänderte Beherrschungsbegriff zu Anpassungsbedarf führt, auch im Hinblick auf das ‚Acting-in-Concert‘-Konzept.“
Die neuen Regeln zur Entstrickungsbesteuerung besagen, dass bei der Überführung von Wirtschaftsgütern, der Verlagerung von Betrieben oder dem Wegzug von Körperschaften stille Reserven aufgedeckt und besteuert werden müssen. Zugleich wird dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eingeräumt, diese Besteuerung über einen Zeitraum von fünf Jahren zu strecken.