Out-Law News Lesedauer: 4 Min.

Coronavirus und Arbeitsrecht: Was Arbeitgeber wissen sollten


Das neuartige Coronavirus lähmt die chinesische Wirtschaft und wirkt sich zudem bereits deutlich auf die globale Wirtschaft aus. Nun verbreitet es sich auch in Deutschland. Arbeitgeber sollten sich damit befassen, welche Rechte und Pflichten sie im Umgang mit dem Virus haben.

Von der chinesischen Stadt Wuhan aus hat sich das Coronavirus und die durch es ausgelöste Krankheit, Covid-19, über den Globus ausgebreitet. Auch in Deutschland ist die Pandemie angekommen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat in einer Regierungserklärung im Bundestag die Bürger darauf eingestimmt, dass sich die Lage wegen des neuartigen Coronavirus weiter verschärfen könnte. „Der Höhepunkt der Ausbreitung ist noch nicht erreicht“, sagte Spahn. Im Zuge dieser Entwicklungen stehen auch deutsche Arbeitgeber vor der Frage, welche Rechte und Pflichten sie gegenüber ihren Mitarbeitern im Umgang mit Covid-19 haben.

Arbeitsrecht-Expertin Sarah Klachin von Pinsent Masons, der Anwaltskanzlei hinter Out-Law: „Besonderheiten aufgrund von Covid-19 ergeben sich aus juristischer Sicht prinzipiell noch nicht. Die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers richten sich weiterhin nach den allgemeinen arbeitsrechtlichen Bestimmungen. Dennoch gibt es diverse Maßnahmen, die Arbeitgeber ergreifen können, um ihren Mitarbeitern den größtmöglichen Schutz zu bieten und flexibel mit der aktuellen Situation umzugehen.“

Homeoffice als Alternative zur Büro-Präsenz

Bei grassierenden Viruserkrankungen würde mancher Arbeitnehmer lieber zuhause bleiben, statt zu riskieren, sich auf dem Weg zur Arbeit und im Büro selbst anzustecken. Obgleich Arbeitnehmer rein juristisch auch während der Ausbreitung einer ansteckenden Krankheit verpflichtet sind, am Arbeitsplatz zu erscheinen, ist das Homeoffice – sofern im Betrieb möglich – eine gute Alternative, die Arbeitgeber ihren Beschäftigten in solchen Fällen anbieten können. „Arbeitnehmer sind grundsätzlich verpflichtet, ihre Arbeitsleistung zu erbringen, ein allgemeines Leistungsverweigerungsrecht gibt es nicht“, so Klachin. „Einfach der Arbeit fernzubleiben ist damit keine Möglichkeit. Arbeitgeber können allerdings, um ihrer Fürsorge nachzukommen, ihren Mitarbeitern die Arbeit aus dem Homeoffice anbieten, so wie es beispielsweise auch wegen der derzeit ebenfalls grassierenden Grippe gehandhabt wird, die aktuell in Deutschland mehr Betroffene zählt als Covid-19.“

Dienstreisen ins Ausland

Zahlreiche Fluglinien, darunter auch die Lufthansa, haben ihren Flugbetrieb deutlich eingeschränkt, um Passagiere und Personal zu schützen. Auch andere Arbeitgeber bemühen sich, Dienstreisen in besonders stark betroffene Regionen auf ein Minimum zu begrenzen, doch nicht jede Reise lässt sich aufschieben. Selbst während einer Epidemie sind Angestellte grundsätzlich dazu verpflichtet, ihre Arbeitsleistung zu erbringen. „Das kann auch die Verpflichtung zu Dienstreisen ins Ausland beinhalten. Selbstverständlich ist aber, dass Arbeitgeber im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht gehalten sind, Reisen ihrer Mitarbeiter aktuell auf das absolut Notwendige zu beschränken“, so Klachin. Auch sollte der allgemeine Gesundheitszustand der Angestellten bei der Entscheidung berücksichtigt werden, sodass Menschen mit bereits geschwächter Konstitution kein zusätzliches Risiko eingehen müssen. In einigen Fällen können Mitarbeiter sogar ablehnen, eine Dienstreise anzutreten. „Das Recht, eine Dienstreise zu verweigern, besteht erst bei einer offiziellen Reisewarnung des Auswärtigen Amtes, denn dann ist die Arbeitsleistung mit erheblichen Gefahren für Leben oder Gesundheit verbunden und somit unzumutbar“, so Klachin. Eine solche Reisewarnung betrifft aktuell die chinesische Provinz Hubei mit der Millionenstadt Wuhan. Von Reisen in andere Teile Chinas sowie in manche Gebiete Südkoreas, Irans und Italiens rät das Auswärtige Amt ab.

Hygienemaßnahmen und Information

Zur Fürsorgepflicht, die ein Arbeitgeber gegenüber seinen Mitarbeitern hat, gehört auch, bestimmte Hygienevorschriften einzuhalten und notwendige Maßnahmen zu ergreifen, um die Ausbreitung einer Krankheit im Betrieb zu verhindern. Außerdem sollte der Arbeitgeber sein Personal über das bestehende Infektions- und Erkrankungsrisiko sowie nützliche Schutzmaßnahmen aufklären. Das gilt vor allem, wenn es konkrete Hinweise gibt, dass ein erhöhtes Risiko besteht – etwa, weil ein Kollege bereits erkrankt oder gerade von einer Reise aus einem stark betroffenen Gebiet zurückgekehrt ist. Der Arbeitgeber kann außerdem sicherheitshalber anordnen, dass Mitarbeiter, die gerade aus einem solchen Gebiet kommen, so lange zuhause bleiben, bis eine Ansteckung ausgeschlossen ist. Das Gehalt ist in diesem Fall weiterzuzahlen.

„Kommt es zu einer Infektion oder einem konkreten Verdacht sollte die zuständige Gesundheitsbehörde einbezogen werden“, so Arbeitsrecht-Experte Sönke Plesch von Pinsent Masons. „Um eine Ausbreitung des Virus zu verhindern, kann das Gesundheitsamt berufliche Tätigkeitsverbote bis hin zur vollständigen Quarantäne verhängen. In diesem Fall sieht das Gesetz für einen Zeitraum von bis zu sechs Wochen eine Entschädigung in Höhe des Verdienstausfalles für die betroffene Person vor.“ Auf Antrag können diese Zahlungen von der zuständigen Behörde erstattet werden. Sofern der Betrieb aus Vorsorgegründen durch behördliche Anordnung eingestellt wird, wäre dies dem Arbeitgeberrisiko zuzurechnen, so Plesch weiter. „In diesen Fällen hat der Arbeitgeber grundsätzlich die Pflicht, den Lohn fortzuzahlen. Sofern im Einzelfall rechtlich möglich, kann die Freistellung auch zum Abbau von Arbeitszeitguthaben genutzt werden. Zudem können in dieser Zeit – insbesondere im Rahmen einer Betriebsvereinbarung – auch Urlaubsansprüche anrechenbar sein.“

Wenn nicht der Arbeitnehmer selbst, sondern sein Kind erkrankt ist, und es keine anderen Möglichkeiten zur Pflege des Kindes gibt, hat der Arbeitnehmer für gewöhnlich Anspruch auf fortlaufendes Gehalt für fünf Tage, wenn das Kind nicht älter als acht Jahre ist. „Wobei dieser Zeitraum auch länger sein kann, sofern aufgrund der besonderen Situation eine anderweitige Betreuung des Kindes nicht sichergestellt werden kann“, so Plesch.

In Ergänzung hierzu ist auch eine unbezahlte Freistellung möglich. Je nach familiärer Situation kann dann eine bestimmte Anzahl an Tagen zur Pflege erkrankter Kinder bis zum Alter von zwölf Jahren verwendet werden. Der Arbeitnehmer wird in diesem Fall unbezahlt durch den Arbeitgeber freigestellt und erhält Krankengeld von der Krankenkasse. Bei Kindern im Alter zwischen neun und zwölf Jahren wird direkt auf diese Methode zurückgegriffen.

Das gleiche Ergebnis ergibt sich bei der in letzter Zeit häufiger angeordneten Schließung von Kindergärten und Schulen. Auch hier dürfte – mangels einer ausdrücklichen Regelung – der gesetzliche Fall vorliegen, wonach Eltern, die ohne ihr Verschulden an der Arbeitstätigkeit gehindert werden, aus diesem Grund ihren Anspruch auf Lohnfortzahlung nicht verlieren, so Plesch. Dabei solle aber zunächst eine gemeinsame Lösung mit dem Arbeitgeber gesucht werden, wie beispielsweise der Abbau von Überstunden oder eine Tätigkeit im Homeoffice.

„Aus unserer Sicht sind auch kurzfristige Vereinbarungen in Absprache mit dem Betriebsrat sinnvoll zur Klärung der anstehenden Maßnahmen. Für zukünftige Fälle empfehlen wir, ein allgemeines Schutz- und Kommunikationskonzept, gegebenenfalls in Koordination mit dem Betriebsrat zu erarbeiten“, so Plesch. „Darin können die genannten Pflichten, Schutzmaßnahmen und Verhaltensweisen festgehalten werden, um im Ernstfall vorbereitet zu sein.“

AKTUALISIERT 10.03.20: Dieser Artikel wurde aktualisiert, um Einzelheiten zur Gehaltszahlung während Quarantäne und der Versorgung von erkrankten Kindern von Arbeitnehmern aufzunehmen.

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