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02 May 2022, 12:46 pm
Das Bundeskabinett hat den vom Bundesministerium der Justiz (BMJ) vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung virtueller Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften (47 Seiten/366 KB) beschlossen.
Aufgrund der Corona-Pandemie sind virtuelle Hauptversammlungen derzeit bereits durch eine Sonderregelung möglich, sie gilt jedoch nur noch bis zum 31. August 2022. Nun will das BMJ das Aktienrecht so ändern, dass virtuelle Hauptversammlungen dauerhaft möglich sind. „Das Format der virtuellen Hauptversammlung wurde von der Praxis gut angenommen und hat sich im Großen und Ganzen bewährt“, so das BMJ. Im selben Atemzug sollen die Rechte von Aktionären bei virtuellen Hauptversammlungen gegenüber der bisherigen Sonderregelung gestärkt werden.
Der Regierungsentwurf sieht vor, dass in das Aktiengesetz (AktG) ein neuer Paragraf 118a eingefügt wird. Er soll regeln, unter welchen Voraussetzungen virtuelle Hauptversammlungen möglich sind. Ihm zufolge könnten Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Europäische Aktiengesellschaften und Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit eine virtuelle Hauptversammlung nach dem 31. August 2022 nur dann durchführen, wenn die Gesellschaftssatzung diese Möglichkeit explizit einräumt oder den Vorstand dazu ermächtigt. Somit bleibt die Präsenzveranstaltung die Grundform der Hauptversammlung. Die Regelung in der Satzung zur Abhaltung einer virtuellen Hauptversammlung hat eine Gültigkeit von maximal fünf Jahren.
Den geplanten Regeln zufolge darf eine virtuelle Hauptversammlung nur dann abgehalten werden, wenn sie vollständig in Bild und Ton übertragen wird, die Aktionäre ihre Stimmrechte auch im Wege elektronischer Kommunikation ausüben können und die Möglichkeit haben, Anträge sowie Gegenanträge auch noch während der virtuellen Versammlung im Wege elektronischer Kommunikation zu stellen.
Nach der Neuregelung erhalten die Aktionäre darüber hinaus ein Auskunftsrecht im Wege elektronischer Kommunikation. Dieses Auskunftsrecht kann, wie in der Präsenzversammlung, ausschließlich im Versammlungstermin gewährt werden. Der Vorstand kann allerdings auch entscheiden, dass Aktionärsfragen bis spätestens drei Tage vor dem Versammlungstermin einzureichen sind. Dann hat die Gesellschaft diese auch bis spätestens einen Tag vor der Versammlung zu beantworten. In diesem Fall erhalten die Aktionäre in der Versammlung ein Nachfragerecht sowie ein Fragerecht zu neuen Sachverhalten. Lässt der angemessene Versammlungszeitraum dies zu, sind auch Fragen, die bereits vor der Versammlung hätten gestellt werden können, zuzulassen.
Um die Transparenz zu verbessern, soll der Vorstand zudem verpflichtet werden, seinen Bericht oder dessen wesentliche Inhalte den Aktionären bereits vor der Versammlung zur Verfügung zu stellen. Aktionäre sollen daraufhin Stellungnahmen im Vorfeld der Versammlung im Wege elektronischer Kommunikation einreichen können, auch diese müssten allen Aktionären zugänglich gemacht werden.
Für die elektronisch zugeschalteten Aktionäre muss dem Regierungsentwurf zufolge ein Rederecht über Videoübertragung eingeräumt werden. In den Redebeiträgen dürften auch Fragen und Nachfragen gestellt werden. Auch müssen die elektronisch zugeschalteten Aktionäre eine Widerspruchsmöglichkeit erhalten.
Um Anfechtungsrisiken für die Gesellschaften abzumildern, werden die bestehenden Vorschriften des Aktiengesetzes, die Anfechtungsmöglichkeiten im Falle technischer Störungen begrenzen, auf die virtuelle Hauptversammlung ausgedehnt. Über solche technischen Störungen hinaus bleibt das Anfechtungsrecht eröffnet.
Der vom Bundeskabinett beschlossene Regierungsentwurf wurde dem Bundesrat zur Stellungnahme zugeleitet. Nach einer Gegenäußerung der Bundesregierung wird er zur Beratung an den Deutschen Bundestag weitergeleitet.
„Grundsätzlich ist es sehr zu begrüßen, dass der Gesetzgeber die Initiative ergriffen hat, auch über den 31. August 2022 hinaus eine virtuelle Form der Hauptversammlung zu ermöglichen“, so der Kapitalmarktexperte Dr. Alexander Thomas von Pinsent Masons. „Die konkrete Ausgestaltung der Aktionärsrechte wird vermutlich aber noch Gegenstand weiterer Diskussionen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens sein. Von dessen Ergebnis wird auch abhängen, ob die virtuelle Form auch künftig aus Sicht der Gesellschaften rechtssicher und praktikabel sein wird und sich damit am Markt als übliche Form durchsetzen wird.“