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In der vergangenen Woche hat der Bundesgerichthof entschieden, dass Amazon nicht haftbar gemacht werden kann für die Ausgestaltung der Website eines Partnerunternehmens, welches von dort aus auf Amazon verlinkt.

In dem jüngst entschiedenen Fall (Az.: I ZR 27/22) geht es um das sogenannte Affiliate-Programm von Amazon. Dieses bietet Partnerunternehmen die Möglichkeit, Provisionen zu verdienen, indem sie Hyperlinks in ihre eigenen Websites einbinden, die zu Angeboten auf dem von Amazon betriebenen Online-Marktplatz führen. Gelangt ein Käufer über einen solchen Link zu Amazon und kauft er das verlinkte Produkt, wird die Provision fällig. Hierbei kann es dazu kommen, dass der Käufer durch irreführende Werbung auf der Webseite des Affiliates dazu veranlasst wird, auf den Link zu klicken.

 

Eine solche Konstellation hat im vorliegenden Fall zu dem jetzt in Karlsruhe ergangenen Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) geführt. Der Kläger wandte sich dabei nicht gegen den irreführend werbenden Affiliate, sondern direkt gegen Amazon. Denn Amazon, so die klägerische Argumentation, hafte auch für unlauteres Verhalten seiner Affiliates.

Rauer Nils

Dr. Nils Rauer, MJI

Rechtsanwalt, Partner

Es ist ohne Frage ein gewisser Trend zu erkennen, Plattformbetreiber stärker in die Haftung zu nehmen.

Konkret geklagt hatte ein Matratzenhersteller. Bei der angegriffenen Werbung handelte es sich um einen Blog, der auf der Seite des Affiliates zu finden war und der unter anderem ein Matratzen-Ranking enthielt. Die Matratze des Klägers belegte in besagtem Ranking den ersten Platz, das Foto dazu zeigte jedoch ein Konkurrenzprodukt. Auch der im Blog hinterlegte Link führte zu dem Konkurrenzprodukt, welches auf Amazon angeboten wurde. Der Matratzenhersteller klagte daher auf Unterlassung. Er sah Amazon (auch) in täterschaftlicher Verantwortung und stützte sich dabei auf Paragraf 8 Absatz 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Diese Norm dehnt die Haftung insbesondere auf „Beauftragte“ aus.

 

„Es ist ohne Frage ein gewisser Trend zu erkennen, Plattformbetreiber stärker in die Haftung zu nehmen“, erläutert Dr. Nils Rauer, Experte für Wettbewerbsrecht bei Pinsent Masons, den Hintergrund der Klage. „Artikel 17 der neuen Urheberrechts-Richtlinie wie auch der Digital Services Act zeigen dies deutlich. Doch sind dies spezialgesetzliche Regelungen, die es nicht erlauben, auch allgemeine Haftungstatbestände des Lauterkeitsrechts über die Maße auszudehnen. Gerade im Bereich der Providerhaftung muss eine angemessene Balance gewahrt werden.“

Das Landgericht Köln hatte die Klage des Matratzenherstellers im Mai 2021 abgewiesen. Das Oberlandesgericht Köln wies im Februar 2022 auch die Berufung ab. Beide Gerichte kamen zu dem Schluss, dass die beanstandete Website zwar irreführend sei und damit gegen das Wettbewerbsrecht verstoße, der Verstoß könne Amazon jedoch nicht zugerechnet werden.

Der BGH schließt sich nun dieser Einschätzung an. Nach Paragraf 8 Absatz 2 UWG können die geschäftlichen Handlungen Dritter nur dann zugerechnet werden, wenn deren Verhalten als „Erweiterung des Geschäftsbetriebs“ von Amazon verstanden werden kann. Das sehen die Karlsruher Richter im Falle des Affiliate-Programms von Amazon aber gerade nicht als gegeben an.

„Der BGH hat richtig entschieden“, so Dr. Rauer. „Paragraf 8 Absatz 2 UWG erlaubt unter bestimmten, begrenzten Umständen zwar eine haftungsrechtliche Zurechnung unlauteren Verhaltens Dritter. Im vorliegenden Fall wäre die Norm aber ersichtlich überdehnt, würde die Haftung von Amazon für Affiliates bejaht.“

Der BGH betont, dass der in Rede stehende Affiliate seine Internetseite mit eigenen redaktionellen Inhalten entwickelt und diese nach eigenem Ermessen gestaltet hatte. Er hat die Website genutzt, um über Verlinkungen auf Webseiten wie die von Amazon, aber auch von anderen Händlern, Provisionen einzunehmen. Der dort eingebettete Link stellt damit, so der BGH, einen „Teil des Produkts [dar], das inhaltlich von den Affiliates in eigener Verantwortung und im eigenen Interesse gestaltet wird“. Der Affiliate handelt daher im eigenen Interesse. Seine Website verkörpert keine Erweiterung des Geschäftsbetriebs von Amazon.

Der BGH hebt ferner hervor, dass die Website eines Affiliates auch außerhalb des beherrschbaren Risikobereichs von Amazon liegt. „Im vorliegenden Fall ist wichtig, dass man – wie auch der BGH es getan hat – die Einfluss-Sphären betrachtet. Man muss abwägen, welche Optionen Amazon als Verantwortlicher für das Affiliate-Programm überhaupt hat“, betont Dr. Rauer. „Kern dieses Programms ist die Verlinkung der Seite des Affiliates mit dem Produkt auf Amazon. So generiert der Affiliate seine Provision für das Hinführen des Kunden zum Produkt. Amazon kann deswegen aber nicht verpflichtet werden, die Seite des Affliates zu prüfen oder kontinuierlich zu überwachen, ob dort unlautere Geschäftspraktiken rund um den Link passieren. Das würde zu weit gehen.“

Insoweit hat der BGH zu Recht darauf abgestellt, dass das Affiliate-Programm den Geschäftsbetrieb von Amazon nicht auf die Internetseiten erweitert, die von dem jeweiligen Affiliate selbst betrieben werden und von wo aus auf Amazon verlinkt wird. „Auch richtig ist das Abstellen auf die Beherrschbarkeit“, so Dr. Rauer. „Für den eigenen Risikobereich muss man einstehen, nicht für Dinge, die außerhalb dessen liegen. Nur, wer hier die Grenze richtig setzt, kommt zu ausgewogenen Entscheidungen und einer angemessenen Verteilung der Haftungsrisiken.“

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