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05 Sep 2018, 12:00 am
Ob Unternehmen bei Zusammenschlüssen eine Genehmigung deutscher Behörden einholen müssen oder nicht, könnte künftig davon abhängen, wie viele deutsche Besucher die Website eines Zielunternehmens hat oder wie viele Patente dieses Unternehmen in Deutschland angemeldet hat, so ein vom Bundeskartellamt (BKartA) veröffentlichter Leitfaden. 5. Sep. 2018
Nach deutschem Fusionskontrollrecht sind Unternehmen in der Regel verpflichtet, das Bundeskartellamt über geplante Fusionen vorab zu informieren, wenn alle an der Transaktion beteiligten Unternehmen zusammen weltweite Umsatzerlöse von mehr als 500 Mio. Euro erzielt haben, wenn mindestens ein beteiligtes Unternehmen in Deutschland Umsatzerlöse von mehr als 25 Mio. Euro und ein anderes beteiligtes Unternehmen Umsatzerlöse in Deutschland von mehr als 5 Mio. Euro erzielt haben oder wenn der Wert der Gegenleistung für den Zusammenschluss mehr als 400 Mio. Euro beträgt und das zu erwerbende Unternehmen in erheblichem Umfang in Deutschland tätig ist.
Dieses letztgenannte Kriterium einer erheblichen Tätigkeit im Inland wurde erst kürzlich im Rahmen der am 9. Juni 2017 in Kraft getretenen 9. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen eingeführt. Die Einführung dieses Kriteriums erfolgte im Wesentlichen als Reaktion auf große Transaktionen wie zum Beispiel die Übernahme von WhatsApp durch Facebook, die sich der deutschen Fusionskontrolle entziehen konnten.
In Zusammenarbeit mit der österreichischen Wettbewerbsbehörde hat das Bundeskartellamt einen Leifaden veröffentlicht, der als Hilfestellung für Unternehmen bei der Anwendung der neuen Anmeldepflicht in der Praxis dienen soll. Der Leitfaden wurde kürzlich ins Englische übersetzt.
Gemäß Leitfaden können übernehmende Firmen anhand mehrerer Faktoren bestimmen, ob ein Zielunternehmen eine „erhebliche Inlandstätigkeit“ ausübt oder nicht.
Für Unternehmen im digitalen Bereich sind laut Leitfaden die monatlichen oder täglichen Nutzerzahlen („Daily or Monthly Active User“) oder die Zugriffshäufigkeit („Unique Visitor“) einer Website mit deutschem Zielpublikum „mögliche Indikatoren“ für die Inlandstätigkeit.
Auch Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten in Deutschland können eine „Inlandstätigkeit“ darstellen, so das Bundeskartellamt. Das Amt sieht als Indikator für die „Erheblichkeit“ der Inlandstätigkeit zum Beispiel die Anzahl der Patente, die das Zielunternehmen in Deutschland registriert oder zur Registrierung angemeldet hat.
Das Bundeskartellamt führt weiter aus: „Bei Sachverhalten, in denen Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten erworben werden sollen, sind zur Feststellung der Erheblichkeit verschiedene Kriterien denkbar. So können beispielsweise die Anzahl der mit der Forschung und Entwicklung betrauten Mitarbeiter oder das Forschungs- und Entwicklungsbudget herangezogen werden. Auch die Anzahl der Patente oder Patentzitate kann einen Hinweis geben. Wird im Wesentlichen ein Forschungsstandort im Inland übertragen, der einen hinreichenden inländischen Marktbezug aufweist, ist von einer erheblichen Inlandstätigkeit auszugehen.“
Nach dem Leitfaden des Bundeskartellamtes wird den Inlandsaktivitäten eines Zielunternehmen in der Regel kein „Marktbezug“ zugeschrieben, wenn die von ihnen erzielten Umsatzerlöse „unter 5 Mio. Euro in Deutschland liegen und diese Umsatzerlöse die Marktposition und das wettbewerbliche Potenzial des Zielunternehmens angemessen widerspiegeln“.
Es wird jedoch gleichzeitig darauf hingewiesen, dass die Inlandsumsätze nicht unbedingt „ein angemessener Gradmesser“ für die Marktorientierung der Aktivitäten eines Zielunternehmens sind. Dies könnte zum Beispiel gegeben sein, „weil das Unternehmen auf einem Markt tätig ist, der nicht durch Umsätze geprägt ist, oder weil es ein Produkt anbietet, das erst seit kurzem auf den Markt gekommen ist, so dass die bislang niedrigen Umsätze nicht das wettbewerbliche Potenzial widerspiegeln.“
Das BKartA wies auch darauf hin, dass Inlandsaktivitäten nicht unbedingt direkt auf die Erzielung von Einnahmen ausgerichtet sein müssen, um einen Marktbezug aufzuweisen.
So heißt es im Leitfaden: „Trotz fehlender Monetarisierung ist ein Marktbezug einer Tätigkeit insbesondere in folgenden, sich möglicherweise überschneidenden Konstellationen denkbar:
Beispiele hierfür sind Fälle, in denen Nutzer einem Zielunternehmen Daten liefern oder in denen digitale Dienstleistungen zunächst kostenfrei angeboten werden, bevor sie zu einem späteren Zeitpunkt, wenn sie populär geworden sind, „monetarisiert“ werden.