Out-Law Guide Lesedauer: 3 Min.
19 Jun 2023, 2:18 pm
Seit dem 1. Januar 2021 ist Großbritannien nicht mehr Mitglied der Europäischen Union. Britische Staatsbürger gelten seither als Angehörige eines Drittstaates und genießen nicht länger die einwanderungsrechtlichen Privilegien von EU-Bürgern, es sei denn, sie verfügen neben der britischen Staatsbürgerschaft auch über die Staatsbürgerschaft in einem EU-Staat.
Für Briten gelten in der EU seit dem Brexit weder die Arbeitnehmerfreizügigkeit noch die Dienstleistungsfreiheit. Dennoch ist die Einreise in die EU, und somit auch nach Deutschland, visumfrei möglich, sofern der Aufenthalt 90 Tage in einem 180-Tage-Zeitraum nicht überschreitet. Das bedeutet: Briten müssen Deutschland nach 90 Tagen Aufenthalt wieder verlassen, sofern sie keine anderweitige Aufenthaltsgenehmigung vorweisen können, die ihnen den weiteren Verbleib im Bundesgebiet erlaubt.
Britische Staatsangehörige sind jedoch grundsätzlich nicht zur Aufnahme einer Beschäftigung in Deutschland während der 90 Tage ihres erlaubten visumfreien Aufenthalts berechtigt.
Für die Aufnahme einer Beschäftigung während der 90 Tage ihres erlaubten visumfreien Aufenthalts oder für einen Aufenthalt von mehr als 90 Tagen, egal ob aus persönlichen Gründen oder zur Arbeitsaufnahme, benötigen britische Staatsangehörige seit dem 1. Januar 2021 grundsätzlich immer eine gesonderte Aufenthalts- oder Arbeitserlaubnis, einen sogenannten Aufenthaltstitel.
Eine Ausnahme gilt allerdings für britische Arbeitnehmer, britische Selbstständige mit Sitz in Deutschland und britische Grenzgänger, die bereits vor dem 31. Dezember 2020 in Deutschland gelebt und gearbeitet haben. Sie dürfen in Deutschland bleiben und genießen auch weiterhin das Recht der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Diese Ausnahme wurde eigens in dem Austrittsabkommen zwischen Großbritannien und der EU festgelegt. Grundsätzliche Voraussetzung dafür sollte jedoch sein, dass sich diese Personen bis zum 30. Juni 2021 für ein Aufenthaltsdokument-GB registriert haben sollten. Es stellt zwar weder eine Straftat noch eine Ordnungswidrigkeit dar, wenn eine solche Registrierung innerhalb dieses Zeitraums unterblieben ist, allerdings ist zu beachten, dass eine unterbliebene Registrierung zu Nachteilen und Problemen beim Nachweis des rechtmäßigen Aufenthalts führen kann, beispielsweise bei Grenzkontrollen im grenzüberschreitenden Verkehr. Es wird daher dringend empfohlen, sich für das Aufenthaltsdokument-GB zu registrieren, was nach wie vor möglich ist.
Bei Erfüllung weiterer Voraussetzungen kann einem britischen Staatsbürger auch ein Daueraufenthaltsrecht nach dem Austrittsabkommen gewährt werden. Unter anderem muss sich der britische Staatsbürger seit mindestens fünf Jahren und während der Geltung des EU-Freizügigkeitsrechts in Deutschland aufgehalten haben. Allerdings können Abwesenheitszeiten von sechs bis zwölf Monaten in Deutschland zum Verlust des Aufenthaltsrechts führen. Jeder Fall muss individuell geprüft werden.
Die Ausnahmen, die im Austrittsabkommen festgelegt wurden, bedeuten zum einen, dass ein britischer Staatsangehöriger, der seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland etabliert hat, diesen aufgrund des Brexit nicht verlassen muss. Andererseits kann ein Arbeitgeber mit britischen Arbeitnehmern in Deutschland das Arbeitsverhältnis auch nach dem Brexit ohne Weiteres aufrechterhalten. Das Gleiche gilt für britische Selbstständige in Deutschland, die hier ein Unternehmen gegründet haben.
Dies gilt jedoch nicht für die Dienstleistungsfreiheit: Selbstständige Briten ohne Sitz in Deutschland dürfen seit 1. Januar 2021 grundsätzlich keine Dienstleistungen mehr in der EU erbringen. Das Handels- und Kooperationsabkommen zwischen Großbritannien und der EU sieht allerdings eine Reihe von Ausnahmen vor, unter denen Briten doch Dienstleistungen in der EU erbringen dürfen. Die konkreten Regeln unterscheiden sich jedoch abhängig von Branche und Mitgliedstaat, sodass jeder Einzelfall für sich geprüft werden muss.
Um einen Briten in Deutschland beschäftigen zu dürfen, bedarf es grundsätzlich eines Aufenthaltstitels nach den Regelungen des Aufenthaltsgesetzes, der die Beschäftigung in Deutschland ausdrücklich erlaubt. Ein Aufenthaltstitel kann nur zu den im Aufenthaltsgesetz bestimmten Zwecken und normierten Voraussetzungen erteilt werden.
Da Briten einer sogenannten privilegierten Nation angehören, können sie einen solchen Aufenthaltstitel auch erst nach visumfreier Einreise in Deutschland bei den zuständigen Ausländerbehörden beantragen, es sei denn, die Arbeitsaufnahme soll direkt nach der Einreise erfolgen. In diesem Fall kann ein entsprechender Aufenthaltstitel auch bereits in Großbritannien bei der zuständigen deutschen Auslandsvertretung beantragt werden.
Jeder Arbeitnehmer ist dabei selbst dafür verantwortlich, die für eine Arbeitsaufnahme in Deutschland notwendigen Dokumente zu beschaffen. Der Arbeitgeber sollte jedoch kontrollieren, ob eine rechtmäßige Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis vorliegt, da ihm ansonsten Sanktionen drohen.
Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass jeder britische Staatsangehörige für eine Beschäftigung in Deutschland einen Aufenthaltstitel bedarf, gilt für kurzfristige Geschäftsreisen nach Deutschland, die 90 Tage nicht überschreiten. Eine Geschäftsreise nach deutschem Einwanderungsrecht ist gesetzlich geregelt und auf bestimmte Aktivitäten beschränkt, wie beispielsweise die Teilnahme an Besprechungen oder Verhandlungen, die Teilnahme an Geschäftsabschlüssen oder die Unterzeichnung von Verträgen. Solche Aktivitäten gelten kraft Gesetzes schon nicht als Beschäftigung und sind somit nicht erlaubnispflichtig. Eine Geschäftsreise stellt grundsätzlich keine Beschäftigung dar, wenn der Geschäftsreisende insgesamt nicht länger als 90 Tage innerhalb eines Zeitraums von 180 Tagen:
In solchen Fällen ist es britischen Staatsbürgern möglich, nach Deutschland einzureisen und für den Arbeitgeber im Rahmen der Geschäftsreise in Deutschland tätig zu werden, ohne dass es eines Aufenthaltstitels bedarf. Jede Tätigkeit, die über diese Vorgaben hinausgeht, wird jedoch als „Arbeitsaufnahme“ gewertet, die ohne gesonderten Aufenthaltstitel grundsätzlich nicht erlaubt ist. Arbeitgeber sind daher gut beraten, genau zu prüfen, ob es sich bei geplanten Tätigkeiten seiner Arbeitnehmer tatsächlich um eine Geschäftsreise oder doch um eine erlaubnispflichtige Erwerbstätigkeit in Deutschland handelt.