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‚Fit für 55‘: Die Pläne der EU-Kommission zum Erreichen der EU-Klimaziele


Die EU will ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent reduzieren und bis 2050 klimaneutral werden. Um das zu erreichen, hat die EU-Kommission ein Paket von Gesetzesvorschlägen vorgestellt, die eine Vielzahl von Politikbereichen und Sektoren betreffen: Klima, Energie und Kraftstoffe.

Die EU-Kommission hat ihr lang erwartetes „Fit für 55“-Paket vorgelegt. Das Paket besteht aus zwölf miteinander verknüpften Legislativvorschlägen – vier Vorschläge für neue Richtlinien und Verordnungen sowie acht Vorschläge für Änderungen und Überarbeitungen bestehender Richtlinien und Verordnungen. Sie alle zielen darauf ab, die rechtlich verbindlichen Klimaziele zu erreichen, die in dem am 30. Juni verabschiedeten Europäischen Klimagesetz festgeschrieben wurden. Bevor die Legislativvorschläge der Kommission jedoch EU-Recht werden, müssen sie vom Europa-Parlament und vom Europäischen Rat verabschiedet werden. In Anbetracht der höchst umstrittenen Natur zumindest einiger der Vorschläge der Kommission und deren weitreichenden sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen wird es im weiteren Gesetzgebungsprozess sicherlich zu hitzigen Debatten und harten Verhandlungen im Parlament und dem europäischen Rat kommen; eine schnelle Verabschiedung ist daher unwahrscheinlich. Das von der EU-Kommission vorgelegte „Fit für 55“-Paket skizziert somit lediglich die zu erwartenden regulatorischen Änderungen, aber es bleibt abzuwarten, wie der zukünftige Rechtsrahmen am Ende tatsächlich aussehen wird.

 

Laut der EU-Kommission zielt das vorgeschlagene Gesetzespaket darauf ab, den „notwendigen Wandel in unserer Wirtschaft, Gesellschaft und Industrie“ herbeizuführen und sieht das „umfassendste Paket von Vorschlägen vor, das die Kommission jemals im Bereich Klima und Energie vorgelegt hat.“

Im Einzelnen beinhaltet das Paket folgende Legislativvorschläge:

  • Überarbeitung des EU-Emissionshandelssystems (European Emissiontrading System oder EU-ETS)
  • CO2-Grenzausgleichmechanismus (Carbon Border Adjustment Mechanism oder CBAM)
  • Überarbeitung der Energiesteuerrichtlinie
  • Überarbeitung der Lastenteilungs-Verordnung
  • Überarbeitung der Verordnung über Landnutzung und Forstwirtschaft (Land Use, Land Use Change and Forestry Regulation oder LULUCF)
  • Novellierung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (Renewable Energy Directive oder RED)
  • Novellierung der Energieeffizienz-Richtlinie (Energy Efficiency Directive oder EED)
  • ReFuelEU Aviation
  • FuelEU Maritime
  • Überarbeitung der Richtlinie über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe
  • Änderung der Verordnung zu CO2-Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen und neue leichten Nutzfahrzeugen
  • Verordnung für einen Klima-Sozialfonds

Bepreisung

Als Eckpfeiler der von der EU-Kommission vorgeschlagenen Klimaschutzmaßnahmen dienen die Stärkung und der Ausbau des EU-Emissionshandelssystems (EU-ETS). Der Ausbau soll erreicht werden, indem Kraftstofflieferanten im Straßenverkehrs- und Gebäudesektor ab 2026 in das EU-ETS einbezogen werden. Bislang umfasst das EU-ETS lediglich Unternehmen aus dem Energiesektor, der verarbeitenden Industrie und der Luftfahrt. EU-Unternehmen aus diesen Sektoren müssen für Emissionen bezahlen, die über die ihnen zugeteilte Menge an kostenlosen Emissionszertifikaten hinausgehen. Darüber hinaus schlägt die EU-Kommission vor, die jährliche Emissionsobergrenze in den vom EU-ETS erfassten Sektoren weiter schrittweise abzusenken, um Zertifikate auf dem Markt stärker zu verknappen und damit die Preise für Emissionszertifikate zusätzlich zu erhöhen. Außerdem soll der Emissionshandel schrittweise auf die Schifffahrt ausgeweitet werden und auch das derzeitige Kontingent an kostenlosen Emissionszertifikaten für den Luftverkehr soll schrittweise auslaufen.

Der neue Grenzausgleich-Mechanismus ist so konzipiert, dass er mit den Regeln der Welthandelsorganisation und anderen internationalen Verpflichtungen der EU konform ist.

Um zu vermeiden, dass sich CO2-intensive Industrie  aus der EU ins Ausland verlagert, wo kein CO2-Preis anfällt oder die Bepreisung deutlich niedriger ist, enthält das Gesetzespaket auch einen Verordnungsentwurf zur Einführung eines CO2-Grenzausgleich-Mechanismus (CBAM): Nach einer Übergangszeit, in der zunächst ein Reportingsystem eingeführt wird, sollen Importeure aus den Sektoren Zement, Eisen und Stahl, Aluminium, Düngemittel und Strom ab 2026 einen CO2-Preis für bestimmte Importgüter aus Ländern außerhalb der EU erheben, sofern diese Länder selbst kein angemessenes CO2-Bepreisungssystem haben. Dies soll den globalen Klimaschutz fördern und für gleiche Wettbewerbsbedingungen innerhalb und außerhalb der EU sorgen. Das neue System würde importierte Güter aus allen Sektoren erfassen, die dem EU-ETS unterliegen, und ist so konzipiert, dass es mit den Regeln der Welthandelsorganisation und anderen internationalen Verpflichtungen der EU konform ist – insbesondere durch ein schrittweises Auslaufen der kostenlosen EU-ETS-Zertifikate. Unumstritten ist der CBAM allerdings keineswegs, und es ist zu erwarten, dass insbesondere die EU-Länder mit einem Exportüberschuss aus Angst vor „Vergeltungsmaßnahmen“ des EU-Auslands hier sehr zögerlich reagieren werden.

 

Die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Preisgestaltung umfassen auch eine Aktualisierung der Richtlinie zur Energiebesteuerung, die Mindeststeuern für bestimmte Energieerzeugnisse und elektrischen Strom festlegt, um die ordnungsgemäße Funktion des Binnenmarktes zu gewährleisten und Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern.

Die EU-Kommission rechnet damit, dass ihre Preisvorschläge weitreichende soziale Auswirkungen haben werden und regt daher an, dass ein bestimmter Teil der neu generierten Einnahmen verwendet werden soll, um sozial schwache Haushalte und Kleinstunternehmen über den Klima-Sozialfonds zu entlasten.

Ziele

In Bezug auf die Klimaziele will die EU-Kommission die Lastenteilunsgverordnung ändern: Der Vorschlag der Kommission sieht strengere Emissionsminderungsziele für die Mitgliedsstaaten in den Bereichen Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft, Abfallwirtschaft und Kleinindustrie vor. Das Prinzip, nach dem die jeweiligen Ziele für die einzelnen Mitgliedstaaten festgelegt werden, bleibt  gleich dem in der aktuellen Lastenteilungsverordnung geltenden: die Höhe der Reduktionsziele bemisst sich nach dem Bruttoinlandsprodukt der einzelnen Mitgliedsstaaten.

Die EU-Kommission will auch die Erneuerbare-Energien-Richtlinie ändern. Die Richtlinie definiert unter anderem, welche Energieträger als erneuerbar eingestuft werden und legt Ziele für den EU-Energiemix fest. Die EU-Kommission schlägt vor, das verbindliche Gesamtziel für erneuerbare Energien von 32 Prozent auf 40 Prozent bis 2030 zu erhöhen.

Ein weiterer Vorschlag, der für später in diesem Jahr geplant ist, wird Maßnahmen zur Beschleunigung der energieeffizienten Sanierung von Gebäuden aufzeigen.

Darüber hinaus wird in einer Überarbeitung der Energieeffizienzrichtlinie vorgeschlagen, verbindliche jährliche Ziele zur Senkung des Energieverbrauchs auf EU-Ebene festzulegen. Der Vorschlag würde die jährliche Energieeinsparverpflichtung der Mitgliedsstaaten nahezu verdoppeln, was bis 2030 zu einer Senkung des Energieverbrauchs um 9 Prozent führen soll. Die Überarbeitung der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden, für die im Lauf dieses Jahres ein Vorschlag der EU-Kommission folgen soll, wird spezifische Maßnahmen festlegen, welche die energieeffiziente Renovierung von Gebäuden beschleunigen und so dazu beitragen soll, dass der Energieverbrauch und Triebhausgasausstoß im Gebäudesektor tatsächlich sinken.

Die aktualisierte Verordnung über Landnutzung und Forstwirtschaft sieht vor, ein EU-Ziel für den Netto-Treibhausgasabbau von 310 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent bis 2030 festzulegen, um nicht nachhaltige Waldrodungen zu vermeiden und Gebiete mit hoher Biodiversität zu schützen.

Regeln

Das „Fit für 55“-Paket enthält auch zusätzliche Regeln für den Verkehrssektor. So schlägt die EU-Kommission vor, die Verordnung zu CO2-Emissionsnormen für neue Personenkraftwagen und neue leichte Nutzfahrzeuge zu ändern: Die Verordnung begrenzt die Emissionen der Neufahrzeugflotten der Automobilhersteller und enthält einen Mechanismus, der Anreize für die Einführung von emissionsfreien und emissionsarmen Fahrzeugen schafft. Wenn der Vorschlag der EU-Kommission angenommen wird, müssen die durchschnittlichen jährlichen Emissionen von Neufahrzeugen ab 2030 um 55 Prozent und ab 2035 um 100 Prozent niedriger sein als die Zielvorgaben von 2021, was zu einem indirekten Verbot von Verbrennungsmotoren für Neuwagen ab 2035 führt.  

Um den Übergang zu Elektro- und Wasserstofffahrzeugen zu erleichtern, hat die EU-Kommission auch die Richtlinie zum Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe überarbeitet. Der Vorschlag verpflichtet die Mitgliedsstaaten, ihre Ladeinfrastruktur für Elektro- und Wasserstofffahrzeuge auszubauen. Dazu gehört insbesondere, dass entlang von Hauptverkehrsstraßen alle 60 Kilometer E-Ladestationen und alle 150 Kilometer Wasserstofftankstellen entstehen müssen.

Auch in der Schifffahrt und im Flugverkehr will die EU-Kommission die Emissionen reduzieren: Zwei Initiativen mit den Namen „ReFuelEUAviation“ und „FuelEUMaritime“ sollen dafür sorgen, dass Flugzeuge und Schiffe nachhaltigere Kraftstoffe verwenden. 

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