Out-Law Analysis Lesedauer: 2 Min.
25 Feb 2021, 4:36 pm
Laut dem Gesetz zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männern (EntgTranspG) darf niemand aufgrund seines Geschlechts schlechter bezahlt werden. Das Bundesarbeitsgericht entschied kürzlich: Erhält eine Frau für die gleiche Art von Arbeit weniger Gehalt als ihre männlichen Kollegen im Median, begründet das die Vermutung, dass sie aufgrund ihres Geschlechts beim Entgelt benachteiligt wird. Diese Vermutung ist jedoch widerlegbar – das heißt, es liegt im Streitfall bei Arbeitgeber*innen, nachzuweisen, dass die Betroffenen nicht aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt wurden.
Sarah Klachin, LL.M.
Senior Associate
Das Urteil ebnet den Weg für die einfachere Umsetzung von Entgeltgleichheitsklagen von Arbeitnehmer*innen.
Aufgrund des ergangenen Urteils dürfte sich die praktische Relevanz des EntgTranspG, die in der Vergangenheit vielfach angezweifelt wurde, deutlich erhöhen. Zumindest ebnet es den Weg für die einfachere Umsetzung von Entgeltgleichheitsklagen von Arbeitnehmer*innen, wenn sie entsprechende Darlegungs- und Beweishürden nicht mehr nehmen müssen, weil die Diskriminierung im Fall von höheren Vergleichsentgelten vermutet wird.
In dem durch das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschiedenen Fall ging eine Abteilungsleiterin gegen ihren Arbeitgeber vor: Sie hatte im August 2018 von ihrem Arbeitgeber eine Auskunft nach dem EntgTranspG verlangt und auch erhalten. Daraus ging unter anderem das Vergleichsentgelt der männlichen Abteilungsleiter hervor. Der Median – ein statistischer Durchschnittswert – lag sowohl beim Grundentgelt als auch bei der Zulage über dem Entgelt der Abteilungsleiterin. Daraufhin verklagte sie ihren Arbeitgeber und forderte eine Auszahlung der Differenz zwischen ihrem Gehalt und dem Vergleichsentgelt der männlichen Kollegen.
Carolin Kaiser
Rechtsanwältin
Arbeitgeber*innen müssen nun im Streitfall nachweisen, dass sie bei der Höhe der Vergütung nicht diskriminiert haben.
Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Der Arbeitgeber legte jedoch Berufung vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) ein, das ihm Recht gab: Es nahm an, es lägen keine ausreichenden Indizien dafür vor, dass die Klägerin wegen ihres Geschlechts benachteiligt wurde. Die Klägerin ging gegen dieses Urteil vor dem BAG in Revision – mit Erfolg: Das BAG hob die Entscheidung des LAG auf und urteilte, dass das Median-Entgelt eine Beweiserleichterung gemäß Paragraf 22 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes auslöst. Das bedeutet, dass sich die Beweislast für Arbeitgeber*innen nunmehr umkehrt: Sie müssen nachweisen, dass sie bei der Höhe der Vergütung nicht diskriminiert haben.
„Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte die Klage nicht abgewiesen werden“, so das BAG. Die Tatsache, dass die Abteilungsleiterin weniger verdiente als die männlichen Vergleichspersonen im Median, begründe „die – von der Beklagten widerlegbare – Vermutung, dass die Klägerin die Entgeltbenachteiligung ‚wegen des Geschlechts‘ erfahren hat.“
Das LAG wird sich daher erneut mit dem Fall beschäftigen müssen. In der neuen Verhandlung hat der Arbeitgeber nun die Gelegenheit, die Vermutung, dass die Abteilungsleiterin aufgrund ihres Geschlechts schlechter bezahlt wurde, zu widerlegen.
Auch wenn abzuwarten bleibt, welche Anforderungen in diesem Kontext an Arbeitgeber*innen gestellt werden, sollten Arbeitgeber*innen in Zukunft jedenfalls darauf vorbereitet sein, Vergütungsentscheidungen zur Widerlegung einer Diskriminierung ‚wegen des Geschlechts‘ nachvollziehbar begründen und bestenfalls auch durch entsprechende Dokumentationen nachweisen zu können, dass es sich bei der im Unternehmen vorherrschenden Vergütungsstruktur um ein rechtmäßiges System handelt und eine Gehaltsdifferenz gerade nicht auf dem Geschlecht beruht.