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Deutschland macht sich bereit für die Wasserstoffproduktion auf See


Nach dem Willen der Bundesregierung soll sich Deutschland bei der Produktion und Vermarktung von Wasserstoff eine globale Führungsrolle sichern. Dafür werden nun unter anderem Flächen für Windenergieanlagen exklusiv zur Wasserstoffproduktion in der deutschen Nord- und Ostsee ausgewiesen. Auch das entsprechende Vergabeverfahren soll angepasst werden.  

Im Zuge der aktuellen Reform des Wind-Energie-auf-See Gesetzes (WindSeeG) wurde der Entwurf eines aktualisierten Flächennutzungsplans des Bundesamtes für Schifffahrt und Hydrographie (BSH) veröffentlicht. Er stellt die vorgesehenen Flächen für Energiegewinnung durch Offshore Wind sowie „sonstige Energiegewinnung“ ab dem Jahr 2026 dar. In dem Entwurf sind erstmals auch zwei Flächen, jeweils eine in der Nordsee und der Ostsee, für die Wasserstoffproduktion auf See unter Nutzung von Offshore-Wind-Strom vorgesehen.

Die in der Nordsee vorgesehene Fläche umfasst 28,8 Quadratkilometer. Sie soll keine Pipeline für den Wasserstofftransport an Land erhalten, stattdessen setzt man hierbei allein auf Schiffe, die den Wasserstoff in Drucktanks abtransportieren. Die vorgesehene Fläche in der Ostsee ist mit 7,8 Quadratkilometern deutlich kleiner, könnte jedoch potenziell auch eine Pipeline für den Transport von Wasserstoff an Land erhalten. Allerdings werden hinsichtlich der generellen Nutzbarkeit dieser Fläche aktuell noch umweltrechtliche Einwände geprüft, da vor allem in der Ostsee sehr viele Zugvögel anzutreffen sind. Bis November können Behörden und Öffentlichkeit zu dem neuen Planentwurf Stellung nehmen, der neben diesen beiden Flächen vor allem Offshore-Wind-Flächen mit Netzanbindung ausweist.

Mit den Änderungen des WindSeeG soll zudem auch der Rechtsrahmen für die Wasserstoffproduktion auf See angepasst werden: Bisher fällt die Energieproduktion auf See ohne Netzanbindung, zu der auch die Wasserstoffproduktion mit Offshore-Wind-Strom gehört, unter das See-Anlagen-Gesetz (SeeAnlG). Dort wird geregelt, dass Flächen ohne Netzanbindung nach dem „Windhundprinzip“ ausgeschrieben werden – wer sich zuerst bewirbt, bekommt den Zuschlag. Dies soll sich nun mit der Novelle des WindSeeG ändern, denn die Energieerzeugung auf See ohne Netzanbindung soll in das WindSeeG integriert werden. In Zukunft sollen solche Flächen – gleich dem Verfahren bei Offshore-Wind-Anlagen mit Netzanbindung – durch wettbewerbliche Ausschreibung vergeben und genehmigt werden. Dies soll einen wesentlichen Beitrag zum verstärkten Ausbau der Wasserstoffproduktion unter ökonomischen Gesichtspunkten leisten und so die Innovation vorantreiben und den Ausbau neuer Technologien beschleunigen.

Die Wasserstoffproduktion auf See ist ein wichtiger Baustein zur Bewältigung der Energiewende. Der Wasserstoff wird in großen Meerwasser-Elektrolyseuren produziert, deren benötigter Strom durch umliegende Offshore-Wind-Anlagen erzeugt wird. Damit wird er komplett durch erneuerbare Energien erzeugt. So gewonnenen Wasserstoff bezeichnet man auch als „grünen Wasserstoff“. Wasserstoff hat den Vorteil, dass er als Energiespeicher eine echte Alternative zu Batteriespeichern darstellen kann. Energie, die durch konstant hohe Windgeschwindigkeiten auf hoher See in Offshore-Wind-Parks generiert wird, kann in Wasserstoff gespeichert und erst bei Bedarf verbraucht werden.

Zudem machen die vergleichsweise einfachen Transportmöglichkeiten Wasserstoff auch als Energieträger besonders attraktiv. Er kann die Abhängigkeit von Strom-Netzanbindungen
–  seit jeher ein Nadelöhr gerade bei der Offshore-Wind-Energiegewinnung – deutlich verringern. Der gewonnene Wasserstoff kann mittels Schiffen in Drucktanks von der Produktionsstätte auf See in große Speichertanks an der Küste oder gar direkt zum Abnehmer transportiert werden. Auch können bereits bestehende Gas-Pipelines zum Transport von flüssigem Wasserstoff verwendet werden, was die Technologie auch für ausgediente Offshore-Gasfelder relevant werden lässt. Auf alten Plattformen könnten Elektrolyseure errichtet werden, die durch umliegende Offshore-Windanlagen betrieben werden. So könnte man die hier bereits bestehende Pipeline-Infrastruktur erneut nutzbar machen. Beide Alternativen – sowohl Schiffstransport als auch Nutzung bereits vorhandener Pipelines – bieten deutliche Kostenersparnisse im Vergleich zu teuren Unterseekabelnetzen.

In der im Juni 2020 veröffentlichten Nationalen Wasserstoffstrategie der Bundesregierung wurde die Wasserstoffproduktion auf See explizit als eine der Maßnahmen zur Förderung der Produktion von Wasserstoff vorgestellt. Alle dort verzeichneten Maßnahmen, insgesamt 38, dienen der Erreichung der beiden erklärten Ziele des Strategiepapiers: zum einen die Bedarfserhöhung von Wasserstoff für die Industrie wie auch den öffentlichen Sektor und private Verbraucher, zum anderen eine deutliche Steigerung der Produktion von Wasserstoff. Damit verleiht die Bundesregierung dem Thema Wasserstoff im Rahmen der Energiewende und dem Erreichen des ambitionierten Klimaziels von CO2-Neutralität bis 2050 eine zentrale Rolle.

Neben der besonderen Nutzung von Offshore-Wind zur Wasserstoffproduktion auf See sind in dem Strategiepapier unter anderem vorgesehen:

  • Die Einbeziehung von Wasserstoff in den nationalen Emissionshandel
  • Wasserstoffquoten für besonders energieintensive Industrien wie Stahl und Chemie
  • Die Anrechnung von grünem Wasserstoff auf die Treibhausgas-Quote im Transportsektor, sowie perspektivisch sogar die Einführung einer Wasserstoffquote im Flugsektor
  • Förderung des Aufbaus von Erzeugungskapazitäten für grünen Wasserstoff durch „Carbon Contracts for Difference“ mit dem CO2-Preis als zentralem Steuerungselement
  • Kostenerleichterungen der grünen Wasserstofferzeugung bei der EEG-Umlage

Es bleibt mit Spannung zu erwarten, wie die Industrie auf die neuesten Entwicklungen reagieren wird. Erste Pilotprojekte gibt es bereits in mehreren europäischen Ländern: An der niederländischen Nordseeküste soll eine erste Anlage für die Wasserstoffproduktion auf See bereits nächstes Jahr an den Start gehen. Sie wäre die erste Offshore-Wasserstoff-Fabrik der Welt.

Auch in Deutschland gibt es eine erste Pilotanlage für die Wasserstoffproduktion mit Offshore-Wind-Strom: Im Reallabor Westküste 100 an der Westküste Schleswig-Holsteins soll mit Offshore-Wind-Strom grüner Wasserstoff erzeugt und vor Ort ins Gasnetz eingespeist, sowie sogar als klimafreundlicher Treibstoff für Flugzeuge verwendet werden. Auch die bei der Wasserstoffproduktion entstehende Abwärme und der Sauerstoff sollen genutzt werden. Ziel ist es, eine ganzheitliche Wasserstoffwirtschaft aufzubauen und zu erforschen. Der Elektrolyseur selbst steht in diesem Projekt jedoch noch an der Küste. Durch die neuen begrüßenswerten Entwicklungen werden nun die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen, dass auch in Deutschland erste Pilotprojekte für Offshore-Wasserstoff-Produktion vollständig auf See realisiert werden könnten.


Franziska Graf, Referendarin im Finance & Projects Team von Pinsent Masons, hat an diesem Beitrag mitgewirkt.
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