Out-Law Analysis Lesedauer: 1 Min.
16 Jul 2020, 2:00 pm
Noch bis zum 17. Juni 2021 hätte der deutsche Gesetzgeber Zeit, die europäische Richtlinie für einen präventiven Restrukturierungsrahmen in nationales Recht umzusetzen. Sie sieht ebenfalls eine vollständige Entschuldung bereits nach maximal drei Jahren vor. Nun nimmt der Gesetzgeber die Corona-Krise zum Anlass, bereits vorab einzelne Regelungsinhalte der Richtlinie in Angriff zu nehmen.
Die Neuregelung soll bei Verfahren angewandt werden, die ab dem 1. Oktober 2020 beantragt werden. Sie knüpft damit auch an das vorläufige Ende der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht im Zusammenhang mit der Corona-Krise an.
Ziel soll es sein, durch die Corona-Krise in wirtschaftliche Bedrängnis geratenen Schuldnern den wirtschaftlichen Neuanfang zu erleichtern und die schnellere Rückkehr in und Teilnahme am wirtschaftlichen Leben zu eröffnen.
Nach deutschem Recht kann ein Schuldner mit dem Insolvenzantrag auch einen Antrag auf die sogenannte Restschuldbefreiung stellen. Wird dieser vom Insolvenzgericht bewilligt, besteht für den Schuldner die Möglichkeit, nach Abschluss des Insolvenzverfahrens und Ablauf einer, grundsätzlich sechsjährigen, sogenannten Wohlverhaltensphase von den Forderungen seiner Gläubiger befreit zu werden.
Die Wohlverhaltensphase beginnt ab dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Während dieser Zeit unterliegt der Schuldner bestimmten Verhaltenspflichten und Tätigkeitsverboten. Es liegt somit in der Hand des Schuldners, ob das Gericht ihm schließlich Restschuldbefreiung erteilt oder diese versagt.
Der europäische Richtlinienentwurf sieht vor, dass unternehmerisch tätigen Personen Zugang zu einem Verfahren gewährt wird, dass ihnen die Restschuldbefreiung bereits nach drei Jahren ermöglicht. Auch sollen grundsätzlich Verbote für die Ausübung gewerblicher, freiberuflicher, handwerklicher oder geschäftlicher Tätigkeiten mit der Restschuldbefreiung außer Kraft treten. Der Gesetzesentwurf hat letzteres auf die Tätigkeitsverbote beschränkt, die allein aufgrund der Insolvenz ergangen sind.
Daneben will der deutsche Gesetzgeber ermöglichen, dass das Vermögen des Schuldners in größerem Umfang gepfändet wird, um die Restschuld innerhalb der drei Jahre möglichst zu begleichen. Geht ein Schuldner in der Wohlverhaltensphase unangemessene Verbindlichkeiten ein, soll ihm die Restschuldbefreiung versagt werden.
Es ist grundsätzlich zu begrüßen, dass der Gesetzgeber nun die Umsetzung der Richtlinie für einen präventiven Restrukturierungsrahmen − wenn auch stückweise − vorantreibt. Die aktuelle Krise macht zwar schnelles Handeln erforderlich, um den gemeinsamen europäischen Wirtschaftsraum wieder neu zu beleben. Nichtsdestotrotz darf der Gesetzgeber dabei das europäische Gesamtvorhaben nicht aus dem Auge verlieren und vorschnell Regelungen für den Einzelfall erlassen. Bereits die rasche Aussetzung der Insolvenzantragspflicht hält Herausforderungen für die Zukunft vor und erfordert Nachbesserungen beziehungsweise Folgelösungen. Eine wurde mit dem aktuellen Gesetzesentwurf nun vorgelegt.