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BGH-Urteil macht geografische Kollektivmarken für Erzeuger attraktiver


Wie der Bundesgerichtshof kürzlich entschieden hat, können geografische Herkunftsangaben für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel nach deutschem Markenrecht geschützt sein, wenn sie nicht zuvor als geschützte geografische Angaben oder geschützte Ursprungsbezeichnung nach europäischem Recht eingetragen wurden.

Die Entscheidung könnte sich auf zahllose Kollektivmarken in Deutschland auswirken und zudem zur Folge haben, dass in Zukunft mehr geografische Herkunftsangaben als Kollektivmarken beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet werden.

 

In dem konkreten Verfahren ging es um die Zeichen „Hohenloher Landschwein“ und „Hohenloher Weiderind“, die beide in Deutschland als Kollektivmarken mit geografischer Herkunftsangabe geschützt sind. Inhaberin beider Marken ist die Bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall. Die Erzeugergemeinschaft wollte einer Metzgerei aus der Region verbieten, die besagten Zeichen in ihrer Werbung zu verwenden. Die Benutzung der Kollektivmarken ist an strenge Vorgaben für Fütterung, Haltung und Schlachtung der Tiere geknüpft, die auch beim Deutschen Patent- und Markenamt hinterlegt sind. In der einschlägigen Markensatzung heißt es hierzu, der Markenschutz diene „in erster Linie zur Sicherstellung der hohen Qualität und damit dem Schutz der Verbraucherschaft vor minderwertiger Nachahmung“.

Die Metzgerei verwendete die Marken, ohne die Standards zu erfüllen und ohne Mitglied in der Erzeugergemeinschaft zu sein. Die Erzeugergemeinschaft erhob daraufhin Klage vor dem Landgericht Stuttgart. Dieses wies die Klage 2018 ab. Erst in der Berufungsinstanz konnte sich die Klägerin durchsetzen: Das Oberlandesgericht Stuttgart urteilte 2019, dass die Metzgerei es fortan unterlassen müsse, die Marken zu benutzen. Die Metzgerei ging daraufhin in Revision. Der Bundesgerichtshof (BGH) schloss sich jedoch der Meinung des Oberlandesgerichts an. Somit dürfen grundsätzlich nur die rund 1450 Betriebe, die der Erzeugergemeinschaft angehören und deren Vorgaben einhalten, mit den Marken „Hohenloher Landschwein“ und „Hohenloher Weiderind“ werben. Und das, obwohl beide Bezeichnungen nicht als geschützte geografische Angaben (g.g.A.) oder geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.) nach der europäischen Verordnung 1151/2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel (Grund-VO) eingetragen sind – anders als beispielsweise die Begriffe „Champagner“ oder „Parma-Schinken“.

Die Grund-VO legt fest, welche Kriterien erfüllt sein müssen, damit eine geografische Angabe geschützt werden kann. Die Anforderungen sind dabei ersichtlich strenger als die, welche an eine Kollektivmarke mit geografischer Herkunftsangabe nach deutschem Markenrecht gestellt werden: Während die Funktion einer Kollektivmarke hauptsächlich nur darin liegt, die betriebliche Herkunft der Waren oder Dienstleistungen aus einem Unternehmen eines Verbandes zu gewährleisten, besteht die Hauptfunktion von geografischen Angaben darin, die geografische Herkunft der Erzeugnisse und deren darauf beruhende Eigenschaft zu garantieren.

Der BGH kam in seinem Urteil zu dem Schluss, dass der Schutz der deutschen geografischen Kollektivmarken grundsätzlich selbstständig neben dem Schutz der Grund-VO auf EU-Ebene besteht. Er betonte in seiner Entscheidung jedoch, dass nationale Regelungen für geografische Herkunftsangaben den Zielen der Grund-VO nicht zuwiderlaufen dürfen. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da der nationale Schutz der Kollektivmarke auf vollharmonisierten europarechtlichen Vorgaben beruhe und daher kein Widerspruch zwischen beiden Schutzformen bestehe. Die Beziehung der Schutzformen ergebe sich aus den Vorschriften der Grund-VO.

Andernfalls wäre der Markenschutz der Zeichen „Hohenloher Landschwein“ und „Hohenloher Weiderind“ ins Leere gelaufen, da ihnen der Schutz auf europarechtlicher Ebene fehlt. Letztlich hätte sich dies auch auf sämtliche andere deutsche Kollektivmarken mit Herkunftsangabe ausgewirkt: Sie alle hätten ihre Schutzwirkung verloren. Die Inhaber hätten sich um eine Eintragung als g.g.A. bemühen müssen, wobei fraglich gewesen wäre, ob alle die Kriterien der Grund-VO erfüllt hätten.

Die Grund-VO steht damit grundsätzlich auch der Anwendung des sogenannten Drittbenutzungsrechts nicht entgegen, welches in Paragraf 100 Absatz 1 MarkenG verankert ist. Das Recht regelt, unter welchen Voraussetzungen es Dritten vom Inhaber einer geografischen Kollektivmarke nicht untersagt werden kann, diese Herkunftsangaben im geschäftlichen Verkehr zu benutzen. Dritten kann demnach die Benutzung geografischen Angaben nicht untersagt werden, sofern die Benutzung insbesondere den guten Sitten entspricht.

Der BGH stellt zudem fest, dass das Merkmal der guten Sitten inhaltlich dem in der Unionsmarkenverordnung der EU verwendeten Begriff der „anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel“ entspricht. Damit eine Benutzung den „Gepflogenheiten“ genügt, darf der Dritte den berechtigten Interessen des Markeninhabers nicht in unlauterer Weise zuwiderhandeln, was unter anderem dann der Fall sei, wenn er die Wertschätzung der Marke in unlauterer Weise ausnutze. Dies sei jeweils im Wege einer Einzelfallbewertung zu ermitteln.

Der Schutzumfang einer Kollektivmarke mit einer geografischen Herkunftsangabe erstreckt sich hierbei auf alle ökonomischen Funktionen der Marke. Hierzu gehört nicht nur ihre Hauptfunktion; es zählen auch ihre anderen Funktionen wie die Gewährleistung einer bestimmten Qualität dazu.

Im fraglichen Fall warf man der Metzgerei vor, sie verwende die Zeichen „Hohenloher Landschwein“ und „Hohenloher Weiderind“ nicht nur als reine Herkunftsangabe, sondern wolle den durch die Erzeugergemeinschaft und deren Qualitätsstandards aufgebauten guten Ruf ausnutzen, um den Verkauf der eigenen Produkte zu fördern.

 

Co-Autor: Simon Haas LL.M.

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